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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin
Autoren: Celia Friedman
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gegnerischen Heere stark verblasst waren, konnte man die Farben noch deutlich erkennen.
    »Die Schlacht von Coldorra«, bemerkte Colivar.
    »Wenn ich mich nicht irre, ging dein Volk als Verlierer daraus hervor?«
    Colivar zuckte nur die Achseln und ließ sich nicht aus der Reserve locken. »Damals war es noch nicht mein Volk.«
    Er berührte eine Stelle, die von den Motten angefressen war; um das winzige Loch begann sich das morsche Gewebe bereits aufzulösen. »Und du nimmst keine Reparaturen vor …?«
    »Auf Wunsch Seiner Majestät werden die Teppiche so belassen, wie sie sind. Er schätzt es, dass sie ›alt aussehen‹.«
    »Aha.« Colivar nickte. »Verstehe. Ich werde König Farah davon in Kenntnis setzen, sollte er irgendwann den Wunsch verspüren, ihm ein Geschenk zu schicken.« Er wartete, bis Ramirus sich abwandte, dann legte er den Finger auf die schadhafte Stelle; das ausgefranste Gewebe schloss sich. Ein Geschenk von mir, König von Coldorra.
    Endlich gelangten sie in einen Flügel, der etwas freundlicher wirkte. Die Fenster hatten menschengemäße Dimensionen und ließen eine Mindestmenge an Sonnenlicht ein. Wahrscheinlich gingen sie auf einen Innenhof hinaus; Danton legte großen Wert darauf, alle Bauten wehrhaft zu gestalten, und hätte so große Öffnungen in den Außenmauern niemals zugelassen. Der ganze Palast war eine seltsame Mischung aus gesellschaftlichem Treffpunkt und Festungsanlage, als hätten die Erbauer sich nicht entscheiden können, was sie eigentlich anstrebten. Vielleicht stand er auch schon so lange und hatte so viele verschiedene Aufgaben erfüllt, dass die sich übereinander abgelagert hatten und nicht mehr deutlich zu trennen waren. So vielschichtig wie sein königlicher Herr , dachte Colivar.
    Er überlegte kurz, welch mächtige Sicherungen wohl das Haupttor schützen mochten, das er so lässig umgangen hatte.
    Eine Dienerin knickste, als sie auf sie zutraten, hielt aber die Augen scheu zu Boden gerichtet. »Magister Ramirus. Wie kann ich Euch dienen?«
    »Ist Prinz Andovan in seinen Gemächern?«, fragte Ramirus.
    Die Frau nickte.
    »Ist er heute in guter Verfassung?«
    Sie zögerte, dann nickte sie.
    »Wir möchten ihn sprechen.«
    Sie warf einen Blick auf Colivar. »Wen darf ich melden …?«
    »Sag nur, ich hätte einen Gast mitgebracht. Er erwartet mich.«
    Die Frau knickste wieder, knickste abermals, während sie rückwärts auf zwei breite Eichentüren zuging, und beugte ein letztes Mal das Knie, bevor sie die eine Tür aufdrückte und hineinschlüpfte.
    »Prinz Andovan ist noch ein junger Mann«, sagte Ramirus. »Er steht in der Thronfolge an dritter Stelle und wird wohl kaum König werden. Dennoch ist Seine Majestät sehr besorgt um seine Gesundheit und hat uns angewiesen, weder Kosten noch Mühen zu scheuen, um die Ursache seiner derzeitigen Krankheit ausfindig zu machen und wenn möglich eine Heilung zu bewirken.« In den Augen des Magisters glitzerte Verachtung, vielleicht auch Spott. »Der Befehl lieferte uns den Vorwand, dich hinzuzuziehen, und nahm dem König jede Möglichkeit, uns diese Bitte abzuschlagen.«
    Colivar zog neugierig eine Augenbraue hoch. »Du hast mich hierhergeholt, damit ich den Sohn eines Feindes heile?«
    »Nein. Ich habe dich geholt, um mir bestätigen zu lassen, was ihm fehlt.« Seine Züge verhärteten sich. »Wenn es das ist, was wir vermuten, kann ihm kein Mensch mehr helfen.«
    Die schwere Tür schwang auf. Die Dienerin kam zurück. Sie knickste erneut. »Bitte tretet ein, Meister Ramirus, Seine Hoheit sind bereit, Euch zu empfangen.«
    Colivar wollte sich in Bewegung setzen, doch Ramirus fasste ihn am Arm. »Findest du nicht, du solltest in angemessener Kleidung erscheinen?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »In deinem Reich vielleicht nicht.« Das Wort unzivilisiert wurde nicht ausgesprochen, stand aber deshalb nur umso deutlicher im Raum. »Hier schon.«
    Colivar zuckte die Achseln. Seinem eigenen Patron war es ziemlich gleichgültig, wie er sich kleidete, solange er seine Arbeit wunschgemäß erledigte, aber die Nordlande legten bekanntlich großen Wert auf »korrektes« Auftreten. Seufzend strich er mit einer Hand über seine Gewänder und leitete so viel Seelenkraft in das Gewebe, dass es sich reinigte, glättete und – wichtiger noch – dass das von Wind und Wetter arg mitgenommene Erzeugnis des Tuchmacherhandwerks jenen tiefschwarzen Ton annahm, der nur durch Magie zu erreichen war. Oh, die Färbergilde hatte sich im Lauf der
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