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237 - Die Welt in der Tiefe

237 - Die Welt in der Tiefe

Titel: 237 - Die Welt in der Tiefe
Autoren: Christian Schwarz
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Das Id fand sein Ziel schlafend vor. Es drang in dessen Mentalsubstanz ein, ohne dass das andere Bewusstsein etwas bemerkte. Ein geschärfter Geist erwartete den »Gast«. Trotzdem empfand das Id ihn als stumpf und träge, weil er eben nicht die Möglichkeit hatte, sich vom Körper zu lösen.
    Gezielt ging das Id dorthin, wo sich die Erinnerungen des anderen Bewusstseins manifestierten, wurde eins mit ihnen. Gierig sog es auf, was es darin fand, versuchte die Dinge chronologisch zu ordnen, um den Überblick zu behalten. Das war nicht einfach, aber es gelang mit etwas Übung immer besser.
    Nach und nach formten sich Bilder vor seinem geistigen Auge; Szenen aus vergangenen Zeiten…
    ***
    In fremden Erinnerungen
    Juli 2488
    Der achtjährige Kenneth zog sich am Rand des Aufzugskorbes empor und beugte sich ein wenig darüber hinaus. Er jauchzte vor Vergnügen, als er die fluktuierenden Lichter am Rande der Welt in ihrer ganzen verwirrenden Schönheit sah. Denn Kenneth verließ das Sanktuarium heute zum ersten Mal. Seine Blicke wanderten nach unten: Siebenhundert Meter Abgrund erstreckten sich unter ihm, und es wurden sekündlich mehr. Wäre das Seil des Aufzugskorbes jetzt gerissen, Kenneth und sein Vater wären unrettbar verloren gewesen.
    Aber derlei Gedanken hegte der Junge nicht. Er war vollkommen schwindelfrei und betrachtete die Forts tief unter ihnen, die so winzig wie Spielzeug wirkten. »Da, Daddy!«, rief er plötzlich aufgeregt und deutete in die Wildnis. »Da springt einer!«
    »Was springt da?« Der 37. Clark Manuel schmunzelte. Er betrachtete seinen Sohn mit sichtlichem Stolz, denn er liebte ihn geradezu abgöttisch.
    »Na da, am Mount Reschmore, da ist gerade ein Deary gelaufen. Hast du den nicht gesehen?«
    »Leider nicht«, brummte der Clark (Titel des Präsidenten der Clarkisten) und lächelte breit. »Ich habe nicht so gute Augen wie du. Na ja, das Vieh wird wohl gerade etwas jagen. Was sollte es sonst tun?«
    »Das ist so schön, Daddy. Schade, dass Adolfo das nicht auch sehen kann. Wir hätten ihn doch gut mitnehmen können. Er ist schließlich mein bester Freund.«
    »Ja, aber diesen Ausflug machen wir alleine, mit Onkel Herb zusammen. Wenn du mal Clark wirst, mein Kleiner, dann weißt du Dinge, die kein anderer außer dir wissen darf.«
    Kenneth spuckte in den Abgrund. »Ah, dann habe ich ein Geheimnis, stimmt’s, Daddy? Das ist toll. Ich liebe Geheimnisse.«
    Nach gut drei Minuten Aufwärtsfahrt erreichte der Korb die Schleusenstation. Zehn Soldaten in Camouflage standen stramm und salutierten. Kenneth salutierte mit der gleichen ernsten Miene zurück. Es war zum Lachen, aber das hätte keiner der Soldaten gewagt.
    Vier Hovercrafts warteten bereits mit laufendem Motor. Der Clark und sein Sohn bestiegen das größte, auf dessen Dach ein schweres Maschinengewehr aufgeschraubt war. Zwei Soldaten besetzten es. Auch im Inneren des Fahrzeugs warteten zehn Uniformierte – und »Onkel« Herb Randall, Ober-Clark und damit Oberkommandierender aller Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Clarkland.
    Randall, zweitmächtigster Mann der VSC, begrüßte Kenneth herzlich und klopfte dem Clark kurz auf die Schulter. Er war der Einzige, der sich das erlauben konnte.
    Die Kolonne setzte sich in Bewegung und verließ Clarktown II. Insgesamt begleiteten dreißig schwer bewaffnete Soldaten der Marinas-Elitetruppe die drei wichtigsten Personen der VSC auf ihrer Reise! Vor allem die Briten und die Nischni-Nowgoroder waren momentan derart sauer auf den Clark, dass sie ihn, bekämen sie ihn nur in die Hände, wohl bei lebendigem Leib häuten würden. Und ihre Partisanen waren überall, selbst auf dem Gebiet der VSC konnte man nicht vor ihnen sicher sein.
    Die Fahrt ging durch weite, von hohen Bergen gesäumte Täler, über Hügel hinweg und durch schroffe Schluchten. Überall grünte und blühte es, übermannshohe Gebüsche, einzelne Bäume und sogar kleine Wäldchen aus schnell wachsenden Spritzbäumen bedeckten das Gelände. Nur an steilen Berghängen schaute noch hin und wieder der glatte Stein, in den das Eis in Jahrhunderttausenden seltsame Risse und Strukturen hinein geschmirgelt hatte, aus dem Bewuchs.
    Kenneth konnte sich nicht satt sehen. Vor allem die Weite des Landes beeindruckte ihn. Alles andere hatte er zumindest schon mal gesehen, wenn auch teilweise in anderer Form.
    Nach drei Stunden ohne Zwischenfälle erreichte die Kolonne das Ufer des Ross-Meeres. Andächtig schaute Kenneth über die riesige
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