Die Seele der Nacht
und zerfurcht, doch ihren Kopf bedeckten moosgrüne Flechten, und der braune Kittel reichte ihr bis fast zu den Füßen. Sie trug eine grünliche Stoffrolle in den Armen, die sie kaum umfassen konnte. Behutsam legte sie ihre Last auf ein Moospolster. »So, ich bin bereit!«, sagte sie fröhlich und lächelte Céredas zu. »Es wird nicht sehr wehtun.«
»Schmerzen schrecken mich nicht«, brummte er. »Wir Felsenjäger sind von klein auf daran gewöhnt.«
»Einen stolzen Krieger haben wir hier in unserem Wald zu Gast.« Ygawil kicherte, und ihr Gesicht schimmerte plötzlich rotbraun.
»Pah!«, schimpfte Wurgluck und prüfte noch einmal das Gebräu, das die vier Gnome gebracht hatten. »Was nützt ihm sein Stolz, wenn er von den Würmern gefressen wird!«
Ygawil kicherte erneut und eilte dann zum Busch zurück. Kurz darauf kam sie mit einem Korb voller Moosschwämmchen und einem Tonbecher wieder. Dreimal schöpfte sie von dem Gebräu aus dem Kessel und gebot Céredas zu trinken. Währenddessen tauchte Wurgluck die Schwämme in den Kessel, bis sie sich voll gesogen hatten, und schob sie dann erstaunlich zart in die eiternde Wunde. Schließlich nahm er die grüne Rolle und wickelte den Stoff mit Ygawils Hilfe fest um die Wunde.
»So!«, sagte der Erdgnom, trat zurück und betrachtete mit zufriedener Miene sein Werk. »Das sollte fürs Erste genügen. »Bewege dich so wenig wie möglich, stolzer Jäger aus dem schwarzen Felsengebirge, ich werde dafür sorgen, dass du genug zu essen bekommst.« Er wandte sich zu seiner Tochter um. »Ygawil!«, rief er. »Du passt auf, dass die dummen Wichte von Schwiegersöhnen ihm nichts Unbekömmliches servieren!«
Mit geschwellter Brust und hoch erhobenem Haupt schritt Wurgluck auf den Mondbeerenbusch zu und verschwand dann im dichten Blattwerk. Ygawil winkte Céredas und Tahâma noch einmal zu und folgte ihm dann nach. Es wurde ruhig auf der Lichtung. Sacht senkte sich die Dämmerung herab und brachte Kühle nach dem heißen Tag.
»Schmerzt es sehr?«, fragte Tahâma. Obwohl es schon fast dunkel war, bemerkte sie, wie blass Céredas geworden war.
»Nicht mehr, als ich ertragen könnte.« Der Stolz blitzte in seinen braunen Augen.
»Du solltest schlafen«, sagte sie, »damit du wieder zu Kräften kommst. Ich werde in der Nacht über dich wachen.«
Céredas brummte etwas, doch es fiel ihm sichtlich schwer, die Augen offen zu halten. Bald fielen seine Lider herab. Der Jäger sank zurück ins Moos und schlief ein. Die Sichel des Rubus stieg über den Baumspitzen auf und tauchte die Lichtung in sanftes Licht. Bald darauf folgte ihm der silberne Mond, der schon wieder ein Stück seines runden Gesichts verloren hatte. Versonnen betrachtete Tahâma die schlafende Gestalt. Was für ein seltsamer junger Mann, dachte sie. Er war so ganz anders als die Tashan Gonar, die ihre zierlichen Körper in glänzende Gewänder hüllten und am Abend beisammensaßen, um mit ihren Fingern über die Saiten zu streichen und wohlklingende Melodien zu singen. Nie würden sie Waffen wie Schwert oder Axt in die Hände nehmen!
»Was für ein Mann!«, seufzte eine helle Stimme neben Tahâma. Ygawil stand neben ihr und betrachtete den Schlafenden. »Im Schlaf sieht er sogar noch besser aus, aber wenn er wieder zu Kräften kommen will, muss er etwas essen.« Sie streckte ihren Korb vor, in dem rotbraune Kuchen, mit Blättern umhüllte Pasteten und kleine Laibe lagen, anscheinend eine Art Brot. Der Duft jedenfalls, der Tahâma in die Nase stieg, war verlockend.
»Du musst ihn wecken«, sagte Ygawil. Flink verteilte sie Blätter auf dem Moos und legte auf jedes ein Stück Kuchen oder Pastete. Die Ärmchen in die Hüften gestemmt, blieb sie noch einen Augenblick stehen und warf einen verträumten Blick auf Céredas, ehe sie zum Mondbeerenbusch zurücklief. Tahâma berührte ihn leicht an der Schulter. Bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte, fuhr er hoch, riss die Axt vom Gürtel und sah sich wild um.
Das Mädchen wich ein Stück zurück. »Es ist alles in Ordnung!«, sagte sie schnell und hob beschwichtigend die Hände. »Die Gnome haben etwas zu essen gebracht.«
Céredas rückte ein Stück näher, nahm eine der Pasteten und schnüffelte daran. Dann erst schob er sie sich in den Mund. »Sie sind gut!«, sagte er und griff gleich nach drei weiteren.
Tahâma aß einen der kleinen Kuchen, der nach Waldbeeren schmeckte, und ein grünes Brot voll würziger Kräuter. Dann biss sie in die letzte Pastete, die
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