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Frisch gemacht!

Frisch gemacht!

Titel: Frisch gemacht!
Autoren: Susanne Fröhlich
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Montag, 8 . 05 Uhr
    »Ich will aber die Lackschuhe«, schreit meine Tochter. »Ohne die Lackschuhe gehe ich nicht in den Kindergarten.« Na super. Ich bin sowieso schon spät dran. Und jetzt das. Draußen regnet es, als würde unser Stadtteil geflutet, und meine Tochter will in Lackschuhen aus dem Haus. Ich probiere die pädagogisch wertvolle Variante. Schließlich habe ich Bücher gelesen. »Liebling, du siehst doch, wie es schüttet, da gehen die Lackschuhe kaputt. Und dann bist du ganz traurig. Zieh doch deine lustigen Gummistiefel an.«
    Jeder Erziehungsratgeber wäre stolz auf mich. Allerdings nur für wenige Minuten. Claudia, meine Tochter, zeigt nämlich keinerlei Einsicht. Sie schreit weiter und schmeißt die Gummistiefel in die Ecke. Jetzt langt es. Dann eben keine Pädagogik. Ich schnappe das Kind, die Gummistiefel, und so kommt zusammen, was nicht zusammen will. Ich habe keine Lust, mir im Kindergarten von einer schnippischen Erzieherin Vorträge über saisonal angemessenes Schuhwerk anzuhören. Morgens um acht ist meine Geduld eh nicht auf dem Höhepunkt. Sie brüllt noch im Auto weiter: »Du bist böse, die Schuhe sind böse, ich will nicht in den Kindergarten.«
     
    Ich habe das Gefühl, dieser Montag wird mein Freund.
    Kurz vor der Eingangstür des Kindergartens springt Claudia in eine Pfütze und saut sich so richtig ein. Egal. Wenn ich nicht wieder zu spät im Büro auflaufen will, dann muss das hier jetzt zackig gehen. Meine Nylons haben auch
eine ordentliche Ladung abbekommen. Ich gebe das nasse Kind ab, und ehe eine der Erzieherinnen, Sonja oder Gabi, irgendeinen Kommentar abgeben kann, bin ich auch schon weg. »Ich habe es eilig, also bis heute Nachmittag.« Aus den Augenwinkeln kann ich gerade noch sehen, wie Gabi und Sonja einträchtig ihre Köpfe schütteln. Nach dem Motto: ›Wer hier mal erzogen werden sollte, ist garantiert nicht das arme Kind.‹ Na wenn schon.
     
    Im Auto merke ich, dass das Kindergartentäschchen, Modell Hase Felix – rot kariert, zurzeit sehr angesagt –, noch auf dem Beifahrersitz liegt. Mitsamt dem Salamibrot und den Apfelschnittchen. Wenn ich jetzt nochmal umdrehe, bin ich total zu spät. So schnell verhungern die Kleinen nicht, wird ihr schon einer was abgeben, tröste ich mich und beschließe, das Brot gleich selbst zu essen. Salami ist an sich bei meiner Dauerdiät nicht vorgesehen, aber wo sie nun mal drauf ist auf dem Brot, esse ich sie halt mit. Was kann denn die Salami dafür. Außerdem ist es Putensalami, und die ist bekanntlich ja schon fast gesund. Zum Ausgleich gehe ich heute eben mal nicht in die Kantine. Ich verspreche es mir selbst. Da bin ich ganz groß drin – in Eigenversprechungen.
    Natürlich wieder Stau. Immer vor diesem miesen Autobahnkreuz. Ich wohne zwar in der Stadt, aber an der Grenze. Und fahre über die Autobahnumgehung. Ich esse auch noch die Apfelstücke. Der Körper braucht schließlich Vitamine. Gerade in aufregenden Situationen.
     
    Mein Dienst beginnt um 8 . 45 Uhr. Meistens komme ich so gegen neun. Manchmal auch gegen Viertel nach neun. Früher war ich nie spät dran. Ja – früher. Früher hatte ich auch
keine morgendlichen Lackschuhdiskussionen, Cornflakesunfälle und »ich muss nochmal Pipi«-Unterbrechungen. Früher, das war die Zeit, in der ich noch kein Kind hatte. In der meine größte Sorge morgens war, welche Stiefeletten ich zu welchem Fummel trage.
     
    Seit drei Jahren ist alles anders, denn ich bin Mutter.
    Die Mutter von Claudia. Und die Lebensgefährtin von Christoph, einem, laut eigenen Angaben, viel versprechenden Jungjuristen in renommierter Kanzlei.
    Kurz nach der Geburt, im Krankenhaus, ließ sich das Muttersein noch recht viel versprechend an. Hormonberauscht und umringt von profunden Säuglingsschwestern, habe ich à la Nina Ruge gedacht: Alles wird gut. Es wurde auch gut, aber vor allem anstrengend. Ich erinnere mich genau.
    Andrea Schnidt, zehn Wochen nach der Geburt. Daheim mit Kind. So habe ich mich gefühlt:
     
    Jung, sexy und zu allem bereit, wenn ich nicht zu müde gewesen wäre.
    Meine Tochter ist zehn Wochen alt und ich bin zehn Jahre gealtert. Wenn das in dem Tempo weitergeht, bin ich in der Seniorenwohnanlage, bevor die Kleine ihren ersten Zahn hat, habe ich gedacht.
     
    Sie schreit schon wieder.
    Würde ich den ganzen Tag so rumbrüllen, hätte ich längst keine Stimme mehr. Bei Babys scheint es diesen durchaus nützlichen Effekt der automatischen Lautstärkedrosslung
nicht zu geben. Deren
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