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Frisch gemacht!

Frisch gemacht!

Titel: Frisch gemacht!
Autoren: Susanne Fröhlich
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Fernsehgosse. Aber wir sind ja auch nicht das ZDF , sondern nur ein kleiner Muckelsender. Trotzdem: 3 , 7 % Marktanteil sind auch bei uns kein Anlass, eine Champagnerparty steigen zu lassen. Normalerweise haben wir um die 5 % und etwa 65   000 Zuschauer. Wo also waren die 15   000 , die uns da fehlen? Alle im Urlaub? Obwohl keine Ferien sind? Nee, das zieht nicht. »Schnidt, jetzt schön überlegen und eine feine Entschuldigung für Will finden«, heißt meine mentale Aufgabe für die Zeit bis zum Auftauchen des selbst ernannten Moderatorengottes Will. Denn Will glaubt gerne, was ich mir so ausdenke. Egal, wie bescheuert es ist. Einmal habe ich ihn damit beschwichtigt zu sagen, »Opel Rüsselsheim hatte Wandertag auswärts – in Niedersachsen oder Mecklenburg Vorpommern«, und er war sofort überzeugt. Für ihn ist bei dem Thema nur eines klar: An ihm kann es nicht liegen. Selbstkritik ist ein Wort, das Will weder kennt noch kennen lernen möchte. Ich weiß nicht, ob es an seiner totalen Selbstüberschätzung liegt oder an einer komplett falschen Eigenwahrnehmung, aber Will macht halt nichts verkehrt. Dass er ein Mann ist, hilft dabei natürlich. Männer neigen generell weniger zur Selbstkritik. Das muss was in den Genen sein. Christoph hat es auch. Allerdings im Vergleich zu Will nur in Spurenelementen. Dem Himmel sei Dank!
     
    Außerdem ist Will ein Star. Findet er jedenfalls. Wenn ihn morgens beim Bäcker oder auf dem Weg ins Büro jemand erkannt hat, dann kann das für die gesamte Redaktion lebensrettend sein. Ein Autogrammwunsch ist für Will so etwas
wie für andere Menschen ein Wochenende in einem Wellness-Hotel. Natürlich würde er aber genau das niemals zugeben. Im Gegenteil: »Hach, ständig die Autogrammwünsche. Ich kann ja nirgends mehr ohne Karten hingehen. Nee, was ein Stress.« So ähnlich lamentiert der ständig vor sich hin. Und die Redaktion stöhnt teilnahmsvoll mit, anstatt zu sagen: »Wer seinen Kopf in die Glotze streckt, muss mit so was rechnen.« Was wir uns bei dem Typen einen abschleimen. Eigentlich eklig. Aber wer aufmuckt, kann sich sofort einen neuen Job suchen. Ich finde, wenn überhaupt, dann sollten das sowieso die Redakteure und Redakteurinnen machen. Immer der Reihe nach. Auch beim Kritisieren. Ich bin Redaktionsassistentin, und seit wann müssen die in der untersten Hierarchiestufe die diffizilsten Aufgaben erledigen. Dummerweise steigt der Mut zum Kritisieren nicht parallel zur Gehaltsstufe. Da hier alle seit Jahren den Mund halten, versuche ich es eben auch. Schließlich war »hör mal, nur eins ist hier echt wichtig, nie, aber auch nie, an Will rummeckern« das Erste, was man mir in dieser Redaktion mitgeteilt hat. Parole Dauerschleim. So kommt es, dass der »große« Will umgeben ist von einer Ansammlung lebender Nickdackel. Widerlich, aber wahr.
     
    Montags erledige ich immer zuerst die Post und die E-Mails. Wer noch nie an einen Sender geschrieben hat, Menschen wie ich zum Beispiel, kann sich gar nicht vorstellen, für wie viele Zeitgenossen das die Erfüllung schlechthin zu sein scheint. Allein sechzehn E-Mails warten in meinem Rechner auf mich. Die bösen werden zuerst abgearbeitet. Dann sind sie weg, bevor Will erscheint. An ganz mutigen
Tagen lasse ich ein oder zwei, je nach meiner Tagesform, für ihn ausdrucken. Das Schlimme ist, dass man jede Mail beantworten muss. Egal, wie grenzdebil oder bösartig sie ist. Ich mache mir eine Latte Macchiato, heutzutage trinkt ja kaum mehr einer normalen Kaffee, und lege los.
    E-Mail, die Erste:
     
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    was da in Ihrem Sender von meinen Gebühren finanziert wird, ist gelinde gesagt eine Frechheit. Dieser tuntige, selbstgefällige Moderator, der nicht in der Lage ist, auch nur eine gescheite Frage zu stellen, wurde am vergangenen Samstag nur noch übertroffen von dem unsäglichen Gast Rainer Sauterfluss. Der offensichtlich angetrunkene und kettenrauchende Schauspieler ist eine Schande für unser Land. Ein Mann, der nicht einmal weiß, in welchem Jahrhundert Goethe gelebt hat. Ich schäme mich für Ihr Programm. Haben Sie denn keine Augen im Kopf? Handeln Sie, oder ich werde Ihr Programm nicht mehr einschalten.
    Ihr Heinz Kümmerlich
     
    Na super. Das geht ja klasse los an diesem Morgen. Was für eine Drohung. Herr Kümmerlich wird uns eventuell nicht mehr gucken. Sollen mir jetzt die Tränen kommen? Soll ich mich vor die nächste U-Bahn werfen? Was denkt der? Mir doch egal. Aber das darf man
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