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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman
Autoren: Claire Winter
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blasser werden. »Das scheint mir wenig glaubhaft. Aber solche Geschichten werden gern erzählt, wenn ein Unglück geschehen ist«, entgegnete er.
    »Das mag sein«, erwiderte Sandfort nach einer wohlgesetzten Pause. »Allerdings gibt es auch Leute, die behaupten, dass Sie ebenfalls in London gewesen sind, Mr Beans, und Amalia dort gesehen haben. Haben Sie Gefallen an Ihrem Zögling gefunden? Eine hübsche junge Frau – da kann man schon auf Gedanken kommen, oder?«
    »Ich? Wie kommen Sie denn darauf?«, widersprach der Lehrer heftig. Doch Sandfort bemerkte den flackernden Ausdruck in seinen Augen. Er hatte Angst, begriff er plötzlich.
    »Um Gottes willen. Sehen Sie nur dort!« Der Mann wies unvermittelt mit der Hand zum Meer.
    Sandfort wandte reflexartig den Kopf. Im selben Moment wusste er, dass er einen Fehler begangen hatte. Der Stoß kam schnell und mit überraschender Kraft. Ein ungläubiger Laut entrang sich Sandforts Lippen, als er nach hinten taumelte und voller Entsetzen merkte, dass seine Füße ins Leere traten …

MELINDA

144
     
    M elinda schwieg einen Moment lang, als Emily Barrington geendet hatte. »Dann waren Sie es, die Ihren Bruder später entlastet hat, als die Polizei ihn verdächtigte, etwas mit Sandforts Tod zu tun zu haben?«, fragte sie schließlich und merkte, wie seltsam es ihr noch immer vorkam, sich vorzustellen, dass Edward Hampton tatsächlich ihr Großvater war.
    Emily Barrington nickte. »Ja, das war ich. Aber mein Bruder konnte zu dem Zeitpunkt, als Sandfort ins Meer stürzte, ohnehin unmöglich in Dover gewesen sein.«
    Melinda zog die Stirn kraus. »Wurde dieser Mr Beans nie verdächtigt, Sandfort umgebracht zu haben? Ich meine, es lag doch nahe, das zu vermuten, oder?«
    »Sicher«, erwiderte die alte Dame. »Aber es gab keine Zeugen, und das Heim hat alles dafür getan, die Missbrauchsfälle zu vertuschen, und ihn damit indirekt entlastet. Niemand zerrt so etwas gern an die Öffentlichkeit.«
    »Er wurde nie dafür belangt?« Melinda konnte ihre Empörung nicht verstecken.
    »Nicht ganz«, mischte sich George ins Gespräch, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte. »Das Heim hat ihn dann wegen eines anderen Vergehens angezeigt – wegen schweren Diebstahls. Angeblich soll er in St. Mary’s Home über Jahre die Insassen und sogar den Heimleiter bestohlen haben. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und starb bei einem Unfall, wenige Tage nachdem er wieder entlassen wurde. Ein Pferdefuhrwagen erfasste ihn.«
    Melinda blickte George an. Sie war sich sicher, dass er das selbst herausgefunden hatte, weil er ebenso wie sie Anstoß daran nahm, dass Beans nicht für seine Taten zur Rechenschaft gezogen worden war.
    Emily Barrington hatte für einen Moment die Augen geschlossen. Sie wirkte erschöpft.
    George erhob sich. »Wir werden eine Pause machen, damit Sie sich ein wenig ausruhen können«, sagte er zu der alten Dame.
    Lady Barrington nickte. »Das ist eine gute Idee. Anschließend werde ich Ihnen den Rest erzählen.«
    Melinda schaute sie an. Was gab es noch zu berichten ?
    Emily Barrington legte ihre Hand kurz auf die ihre. »Es würde mich freuen, wenn Sie mich dann beim Vornamen nennen. Immerhin sind Sie die Enkeltochter meines Bruders«, bat sie sanft.
    Melinda nickte. »Gern, Emily.«
    Die alte Dame lehnte sich in ihre Kissen zurück. Ein friedliches Lächeln glitt über ihr Gesicht.
    145
     
    G eorge und sie waren schweigend durch den langen Flur zum Fahrstuhl gegangen.
    »Hast du Hunger?«, fragte er.
    »Nicht besonders.« Melinda bemühte sich, das, was sie erfahren hatte, zu verarbeiten.
    Sie begaben sich nach unten in die Lobby und zum Wintergarten des Hotels, in dem Speisen und Getränke serviert wurden. George bat um einen Tisch in einer Nische, an dem sie ungestört waren.
    »Ich glaube, ich brauche einen Drink«, erklärte Melinda mit einem schiefen Lächeln.
    Er bestellte zwei Scotch auf Eis.
    »Ich bin Lady Barringtons Anwalt«, erklärte er dann. »Schon seit langer Zeit. Als du mich in Hampton angetroffen hast, war ich dort, weil ich zu ihr wollte. Ich habe Tennyson mit einem richterlichen Beschluss gedroht, weil er mich daran hindern wollte, mit ihr zu sprechen. Ich wusste, dass er versucht, sie einzuschüchtern.«
    »Einschüchtern? Wegen mir?«
    Er nickte.
    »Aber warum?«
    Er lächelte knapp. »Das wird Lady Barrington dir nachher selbst erzählen wollen.«
    Der Ober brachte die Getränke. Der Scotch brannte in ihrer Kehle. Melinda
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