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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman
Autoren: Claire Winter
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gewesen, sagte meine Schwester Rebecca. Sie war außer sich. Aus ihrer Sicht war seine Liebe zu Amalia nichts als eine lächerliche Affäre. Man wisse ja nicht einmal, ob die Tochter wirklich von ihm sei.« Emily lächelte bitter. Ihre Finger spielten mit einem spitzenverzierten Taschentuch. »Meine Schwester sah ihre Kinder schon lange als die rechtmäßigen Erben von Edward an – und Henry und Charlotte, die ja erwachsen waren, unterstützten sie natürlich. Rebecca setzte mich daher unter Druck, und ich muss gestehen, dass ich es damals auch nicht viel anders sah als sie. Selbst die Anwälte hatten Verständnis. Niemand hätte gern eine Deutsche in die Familie aufgenommen und ihr das Erbe hinterlassen. Edwards Testament selbst war nicht anfechtbar, aber auf den Rat eines Anwalts, den mein Neffe Henry engagierte, wurde ein offizielles Papier beschafft, das bestätigte, du seist genau wie deine Mutter während des Krieges umgekommen. Es gab ja niemanden, der Interesse daran gehabt hätte, das nachzuprüfen.«
    Melinda schwieg betroffen. Aus Sicht der Hamptons konnte man es sogar verstehen, dachte sie.
    »Und warum hast du George dann doch nach Berlin geschickt, um mich zu suchen?«
    Die alte Dame schwieg. Dann sagte sie leise: »Ich fühlte mich schuldig. Schon lange. 1947 starb Rebecca, und meine eigene Gesundheit war ebenfalls angeschlagen. Damals lebte ich schon wieder in Hampton. Ich war kurz nach dem Tod meines Mannes hierhergezogen und auf die Fürsorge von Henry und Charlotte angewiesen. Ich spürte, dass mir nicht mehr viele Jahre bleiben würden.« Ein ernster Ausdruck glitt über ihr Gesicht. »Aber ich hatte das Gefühl, dass ich nicht meinen Frieden finden konnte, wenn ich Edwards letzten Willen nicht respektierte. Ich wusste, wie sehr er Amalia geliebt hatte und wie viel es ihm bedeutete, dass es ein Kind und Enkelkind von ihm und ihr gab. Schließlich habe ich Mr Clifford gebeten, mir zu helfen …«
    Melindas Kopf wandte sich unwillkürlich zu George. »Und du hast ihm den Auftrag erteilt, mich zu suchen«, stellte sie fest.
    Emily Barrington nickte. »Und ich gab ihm das Paket für dich. Mr Clifford sollte mit dir Kontakt aufnehmen und dir die Sachen zukommen lassen. Doch dann bekam Henry von dem Vorhaben Wind. Er fand ein Telegramm, das Mr Clifford mir aus Berlin geschickt hatte. Henry war außer sich vor Wut. Er drohte, man würde mich entmündigen lassen …«
    Melinda, die sich lebhaft vorstellen konnte, wie Henry sich verhalten hatte, sah sie voller Mitleid an.
    »Trotz allem sind mein Neffe und meine Nichte die einzige Familie, die ich noch habe, und ich ließ mich einschüchtern. Ich sendete Mr Clifford daher ein Telegramm, dass er aus Berlin zurückkommen solle.«
    »Aber das Paket sollte er mir trotzdem schicken«, ergänzte Melinda, die nun verstand, warum keinerlei Brief oder Erklärung dabeigelegen hatte. »Wusstest du, dass ich es herausfinden würde?«, fragte sie Emily.
    Die alte Dame schüttelte den Kopf. »Ich habe es vielleicht unbewusst gehofft. Ich wollte, dass du die Sachen erhältst, weil Edward es so gewollt hätte. Ich fand, sie standen dir zu, denn diese Dinge sind Zeugnis seiner Liebe zu Amalia.«
    »Ich war sehr verwirrt, als ich das alles bekam«, bekannte Melinda. »Bis spät in die Nacht habe ich die Briefe gelesen, mir die Bilder angeschaut – und die rote Dame. Wusstest du, dass ich die übrigen Schachfiguren besitze? Meine Großmutter hatte sie meiner Mutter und die wiederum mir hinterlassen.«
    Emily blickte sie überrascht an. »Und ich habe mich immer gewundert, dass es nur diese eine Figur gab!«
    »Ich habe mich auf einmal daran erinnert«, erklärte Melinda. »Als Kind wollte ich mit den Schachfiguren spielen, weil ich sie so schön fand. Als ich jetzt entdeckte, dass die rote Dame die fehlende Spielfigur war, wusste ich, dass das Paket etwas mit meiner Großmutter zu tun haben musste. Danke, dass du es mir geschickt hast. Es bedeutet mir sehr viel.«
    Emily lächelte. »Ich bin froh, dass du jetzt alles weißt. Edward wäre sehr glücklich gewesen. Ich fürchte nur, du wirst jetzt einen guten Anwalt brauchen.« Ihr Blick glitt zu George Clifford. »Aber wie ich sehe, hast du schon einen gefunden«, fügte sie unschuldig hinzu.
    Einen Moment lang schwiegen sie alle.
    »Es gibt noch etwas, das ich dir geben muss«, sagte Emily schließlich. Sie griff nach einer Mappe, die auf ihrem Nachttisch lag, und zog einen Umschlag daraus hervor, den sie Melinda reichte.
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