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Sally

Sally

Titel: Sally
Autoren: Elke Päsler
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MANIFEST
    Die Emanzipation ist gescheitert. Das hat uns die Wirtschaftskrise gezeigt. Bis zu ihrem Beginn ist uns Frauen der Versuch, die besseren Männer zu sein, noch scheinbar geglückt. Wir haben gearbeitet, die Kinder erzogen, die Familienwerte gepflegt, den Haushalt geführt, für Gleichberechtigung gekämpft und ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn wir uns zwischendurch eine Stunde Zeit für die Kosmetikerin genommen haben. Den ungeheuren Druck, unter dem viele von uns schon damals gestanden sind, haben die Emanzen der ersten Stunde wohl kaum eingeplant.
    Ihrem Kampfruf folgend sind wir wie Männer gegen Männer angetreten, ohne als Kopie gegen das Original je eine Chance gehabt zu haben. Wir haben dabei ganz übersehen, dass wir nicht nur uns selbst der Weiblichkeit berauben, sondern die ganze Gesellschaft. Der in den vergangenen Jahren entstandene riesige Markt für Zärtlichkeit und Nähe ist symptomatisch dafür. Tausende Prostituierte haben sich erfolgreich auf seelische und körperliche Streicheleinheiten spezialisiert, während wir noch immer glauben, dass Männer nur harten Sex und Abwechslung suchen. Vor allem aber hat unsere eigene Absage an die weiblichen Werte die Gesellschaft bröckeln lassen und die Wirtschaftskrise mitverursacht.
    Durch diese Krise wurde die Last für viele von uns dann endgültig zu schwer. Denn verloren unsere Männer ihre Jobs, schlüpften wir auch noch in die Rolle der Alleinverdienerinnen. Die Männer haben das für selbstverständlich gehalten, weil wir bisher nie Schwächen gezeigt haben. Für die Frauen, die in den guten Jahren in elitären Zirkeln über die Emanzipation philosophiert haben, funktioniert das vielleicht noch. In ihren gehobenen Positionen bringen sie ihre Familien zur Not auch dann allein durch, wenn sie deutlich weniger verdienen als gleichgestellte männliche Kollegen. Voll auf den Kopf gefallen dagegen ist die Emanzipation den Frauen der mittleren und unteren Einkommensschichten. Jene, deren Männer davor monatlich zwei- oder dreitausend Euro heimgebracht haben und die ihre Familien nun mit Tausend-Euro-Jobs ernähren müssen. Für sie kann die Rechnung auch mit der perfektesten Selbstausbeutung nicht mehr stimmen.
    Während sich Emanzipationsikonen wie Alice Schwarzer um Luxusprobleme wie die Liebschaften eines durchgeknallten TV-Wetterfrosches gekümmert, zu jedem Lifestyle-Problem ihren Senf abgegeben und eitel ihre Bücher verkauft haben, sind wir vor die Hunde gegangen. Uns hat niemand geholfen. Selber schuld, wenn das Haus auf Pump gekauft und der Fremdwährungskredit nach hinten losgegangen ist. Selber schuld, wenn sich die Leasingverträge für das Auto und den Zweitwagen nicht kündigen lassen. Selber schuld, wenn du einen Versager geheiratet hast, der bei der ersten Jobkrise aufgibt und vor dem Fernseher verkommt. Wir haben niemanden gebraucht, der uns diese Dinge an den Kopf wirft. Wir haben uns ganz automatisch zuerst die Pflicht und dann die Schuld selbst zugewiesen, bis die Schmerzgrenze überschritten war.
    Für Männer habe ich eine Nachricht: Die Zärtlichkeit, die ihr jetzt bei Erotikmasseusen findet, bieten vielleicht auch eure eigenen Frauen an. Bloß nicht euch, sondern anderen Männern – Freiern, von denen sie sich dafür bezahlen lassen. Manche arbeiten professionell in Stundenhotels oder anderen diskreten Absteigen. Andere bewegen sich in der Grauzone zwischenProstitution und Affäre und halten notgedrungen dort die Hand auf. Wenn ihr das nächste Mal durch die Vorstädte spaziert, dann seht euch die hübschen Dalien, die frisch gestrichenen Zäune und die Schultaschen der Kinder an. Viele von den Blumenzwiebeln, ein Teil des Lackes und einige Jausenbrote in den Taschen wurden bestimmt durch illegale Prostitution bezahlt, die nicht einmal in den Dunkelziffern der Kriminalpolizei aufscheint.
    Wir Frauen müssen endlich den Mut haben, uns in ein Sofa fallen zu lassen und zu sagen: So wie bisher geht es nicht weiter. Die Welt wird komplexer und dichter und lässt keinen Raum mehr für Kampfkonzepte, die irgendwann auf dem gesellschaftspolitischen Reißbrett entstanden sind und dem natürlichen Zusammenspiel von Mann und Frau im Weg stehen. Es ist Zeit für eine postemanzipatorische Bewegung, in der sich Mann und Frau wieder an der Hand nehmen, um auf gleicher Augenhöhe gemeinsam in die Zukunft zu blicken. Wir brauchen eine Bewegung, die männlichen und weiblichen Werten wieder den gleichen Rang einräumt. Eine Lehrerin, in deren
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