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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben
Autoren: Raymond E. Feist
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weiter zum Mund. Er kostete den Geschmack aus, bevor er schluckte; vielleicht weil er etwas Zeit zum Nachdenken gewinnen wollte oder um einem unziemlichen Hustenanfall vorzubeugen.
    Was immer der Grund des Priesters war – als er die Tasse absetzte, war er vollkommen ruhig. »Was möchtet Ihr über die Magie wissen?«
    Beharrlich nahm Mara das Thema wieder auf, obwohl es gefährlich war. »Warum sind solche Kräfte das alleinige Vorrecht der Versammlung? Ich habe Priester gesehen, die ebenfalls Magie beherrschen.«
    Der Hohe Priester betrachtete die kleine, entschlossene Frau, die nach dem Licht des Himmels als einflußreichste Person im Kaiserreich galt. Ein unergründlicher Schatten lag auf seinen Augen und eine Kälte, die zuvor nicht dagewesen war. »Die Sanktionen, die die Versammlung über Eure Auseinandersetzung mit Jiro von den Anasati verhängt hat, sind bekannt, Mara. Wenn Ihr danach trachtet, Euch gegen die Schwarzen Roben zu wappnen, schlagt Ihr einen gefährlichen Weg ein.« Er benutzte nicht das ehrenvolle Wort »Erhabene«, und diese Nuance ging an Mara und ihrem Berater nicht vorbei. Konnte es sein, daß die Tempel-Hierarchien wie die Cho-ja nicht gerade begeistert von den Magiern waren?
    »Wie kommt Ihr darauf, daß ich etwas gegen die Versammlung unternehmen will?« fragte Mara mit unhöflicher Direktheit.
    Vater Jadaha schien ihre Offenheit nicht zu beunruhigen. »Mylady, im Dienst an Turakamu lernen ich und meinesgleichen die dunkle Seite der menschlichen Natur kennen. Menschen, die lange Zeit Macht haben, wollen nicht, daß man ihnen ihre Verletzbarkeit zeigt. Wenige erweisen sich als weise, wenn sie mit Veränderungen und Selbsterkenntnis konfrontiert werden. Traurigerweise verteidigen viele Positionen, die ihre Bedeutung verloren haben, einfach nur, weil sie fürchten, daß ihre Sicherheit untegraben wird, selbst um den Preis des Wachstums, selbst wenn es um die Verbesserung des Lebens geht. Sie widersetzen sich den Veränderungen einfach nur, weil sie außerhalb der Bequemlichkeit liegen, die sie kennen. Ihr repräsentiert Glück und Hoffnung für die Leute in diesem Land. Ihr seid ihre Meisterin, ob Ihr wollt oder nicht, weil Ihr Euch der Tyrannei und Grausamkeit entgegengestellt habt, als Ihr das Amt des Kriegsherrn zu Fall brachtet. Ihr habt die Machtstrukturen, die dieses Land beherrschen, erfolgreich kritisiert. Dies muß als Herausforderung gesehen werden, ob es Euch paßt oder nicht. Ihr seid zu großen Höhen aufgestiegen, und jene, die Euch als Rivalin sehen, haben Euren Schatten auf sich fallen gespürt. Zwei Mächte wie die Versammlung und die Gute Dienerin des Kaiserreiches können nicht ohne Konflikt nebeneinander existieren. Vor Tausenden von Jahren mögen die Schwarzen Roben sich ihren Platz außerhalb des Gesetzes verdient haben. Doch jetzt betrachten sie ihre Allmacht als ein gottgegebenes Recht, ihre heilige Ehre, wenn Ihr so wollt. Ihr steht für Veränderung – sie stehen für die Tradition. Sie müssen Euch vernichten, um ihre Vormachtstellung zu bewahren. Dies ist die Natur des tsuranischen Lebens.«
    Vater Jadaha blickte durch den Laden, der geöffnet worden war, um frische Luft hereinzulassen. Das Knallen der Peitsche eines Fuhrmanns war von der Straße zu hören, überlagert von den Rufen eines Fischverkäufers, der seinen morgendlichen Fang loswerden wollte. Der Priester seufzte. »Einst hatten wir, die wir den Göttern Dienst schworen, Einfluß und große Macht, Mara von den Acoma. Einst waren wir in der Lage, unsere Herrscher und Herrscherinnen zu Verbesserungen zu ermutigen, oder zumindest konnten wir unseren Einfluß nutzen, um ausgesprochene Gier und wirkliches Übel zu bremsen.« Er schwieg, die Lippen möglicherweise vor Bitterkeit zusammengepreßt. Dann meinte er: »Ich kann Euch nichts anbieten, das Euch gegen die Versammlung hilft. Doch ich habe ein kleines Geschenk für Eure Reise.«
    Mara unterdrückte ihre Befürchtungen. »Reise?« War ihre List so offensichtlich, daß selbst dieser Hohe Priester in Sulan-Qu das Ziel ihrer Pilgerfahrt durchschaute? Mit starrem Gesicht sah sie zu, wie der Priester sich erhob und zu einer alten Holztruhe ging.
    »Um das zu finden, was Ihr sucht, müßt Ihr weit reisen, Mara von den Acoma.« Er entriegelte das Schloß und hob den Deckel. »Ich glaube, Ihr wißt das bereits.« Seine anmutigen Hände wühlten sich durch den Inhalt der Truhe. Mara erhaschte zwischen aufgewirbeltem Staub einen Blick auf Pergamente und die
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