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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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PROLOG

    Hamburg-Altona, Samstagabend, kurz nach 19 Uhr. Eine Drei-Zimmer-Altbauwohnung, die dringend mal saniert werden müsste, aber dafür fehlen das Geld und die Zeit. Am Küchentisch sitzt ein junger Mann und lächelt. Er betrachtet seine Frau, die mit der gemeinsamen Tochter auf der Couch lümmelt, dicht an dicht, unter eine Decke geschraubt. Das Sandmännchen ist gerade vorbei. Die junge Frau liest dem kleinen Mädchen noch was vor: Der Tiger ist krank, und der Bär macht ihn gesund.
    »Mama?«
    »Ja, meine Süße?«
    »Musst du gleich los?«
    »Ja, muss ich.«
    »Wann kommst du wieder?«
    »Morgen früh um acht, wenn ihr aufsteht, du und Papa, dann bin ich schon gleich wieder da.«
    Das Mädchen greift nach dem langen blonden Zopf der Mutter und spielt damit.
    »Und wenn ein böser Räuber kommt, hast du dann eine Pistole?«
    »Ja, mein Herz, dann hab ich eine Pistole. Aber meistens geht’s auch ohne. Mach dir keine Sorgen.«
    Der Tiger ist wieder gesund, die Frau klappt das Buch zu. Sie gibt ihrer Tochter einen Kuss, steht auf, der Mann begleitet sie zur Tür, wo sie ihre Stiefel und die Uniformjacke anzieht, die aus Leder, es soll wieder die ganze Nacht regnen.
    »Pass auf dich auf«, sagt er und küsst sie auf die Stirn. Das ist ein Ritual zwischen den beiden. Der Kuss auf die Stirn soll die Frau beschützen.
    »Mach ich doch immer«, sagt sie, und auch dieser Satz ist ein Ritual.
    Würden sie es mal anders machen, wären sie beunruhigt.
    »Gute Nacht«, sagt sie, als sie die Tür aufmacht, »schlaft schön, ihr beiden«, und da ist sie auch schon auf der Treppe.
    Das mag er besonders an ihr. Mochte er schon immer. Ihr leicht erhöhtes Tempo, ihre zarte Entschlossenheit. Wie sie alles einfach so nimmt, mitnimmt, leicht, mit einem Lächeln und ohne zu zögern.
    Später, als die Kleine schläft, steht er noch lange am Fenster und schaut in die hell erleuchtete Nacht. Er hat es ihr noch nie gesagt, aber wenn sie Nachtdienst hat, macht er kein Auge zu.

    Hamburg-Lokstedt, Samstagnachmittag, ein Mann im Nieselregen. Der Mann ist um die sechzig, er kniet in seinem Garten und zieht Löwenzahn aus den Blumenbeeten. Der Scheiß wächst wie die Hölle in diesem feuchten Wetter. Na ja. Der Regen ist wenigstens gut gegen Blattläuse. Die mögen das nicht, wenn es immerzu regnet. Außerdem hat er in diesem Jahr vorgesorgt: An den Rosen stehen kleine Lavendelpflanzen, und die Marienkäferlarven, die er auf all seine Blühpflanzen gesetzt hat, futtern sich kräftig durch die Läuseklumpen. Die werden ihm seinen Ruhestand nicht versauen. Noch zwei Monate. Dann ist es geschafft. Seine Rente wird nicht besonders luxuriös sein, aber das Häuschen ist abbezahlt. Und seit seine Frau vor fünf Jahren gestorben ist, braucht er nicht mehr viel. Ein bisschen was für die Enkel, für ein Eis oder ein paar Zoobesuche, das ist schon drin. Er muss grinsen. Seine beiden Kinder, die freuen sich am meisten auf seine Pensionierung. Dann gibt’s den Babysitter endlich auch nachmittags. Ja. Er freut sich auch.
    Mit Schwung macht er sich an die letzten drei Löwenzahnnichtsnutze. Zack, zack, zack. Dann Sportschau, dann Nachtstreife mit Britta. Gutes Mädchen. Die Nachtschichten mit Britta, das wird er vermissen.
    »Den jungen Hüpfer, der dein Nachfolger wird, den werd’ ich mir erst mal ordentlich zurechtbiegen«, hat sie neulich gesagt, und dann haben sie so gelacht zusammen, und dann sind sie Pommes essen gegangen, morgens um vier.
    Er quält sich aus der Hocke hoch. Die rechte Kniescheibe macht ihm zu schaffen. Die Fresse von dem Idioten, der ihn damals vor zwanzig Jahren angeschossen hat, die wird er nie vergessen. Deshalb ist er im Streifendienst geblieben, hat sich nie an den Schreibtisch versetzen lassen. Weil er immer gehofft hat, dem nochmal zu begegnen, und dann wäre aber was los gewesen, mein lieber Scholli. Hm. Wird wohl nichts mehr werden mit seiner kleinen Rache. Auch gut. Man wird ja gnädig im Alter.

I.
    TRAURIG AM STRAND

    Im Gefängnis wird gebaut. Keine Ahnung, was die da machen, am Sonntagmorgen um acht, aber es hört sich nicht gut an. Es hört sich an, als würden sie den Wachturm absägen. Böses, böses Geräusch: Metall auf Beton, und dann durch bis zum Knochen. Noch einen Tick lauter, und das Gesäge wäre in der Lage, etwas in mir zu zerreißen. Einen Muskel oder eine Sehne oder das kleine blaue Glück, das sich in meinem Bauch breit macht, wenn ich laufe. Ich ziehe das Tempo an, mache einen Sprint entlang
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