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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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französischen Akzent.
    Ich setze mich neben die beiden und biete ihr eine Zigarette an.
    »Danke«, sagt sie, »ich rauche nicht. Aber er hätte sicher gerne eine.«
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch, sie lächelt mich an, nimmt eine von meinen Luckys, zündet sie ungeschickt an und steckt sie ihrem schwarzen Fellfreund zwischen die Lippen. Der Hund gibt ein Geräusch von sich, es hört sich an wie ein Seufzen.
    »Trinkt er auch?«, frage ich.
    »Nein«, sagt sie und lacht. Ich finde meine Frage jetzt gar nicht so abwegig.
    »Das Nikotin beruhigt seine Nerven«, sagt sie. »Das ist mir irgendwann klar geworden, als er sich immer wieder in der Nähe von Rauchern aufgehalten hat. Mein Mann hat sich dann mal einen Scherz erlaubt und ihm eine Zigarette ins Maul gedrückt. Es hat funktioniert. Es geht ihm besser, wenn er raucht.«
    »Warum ist er depressiv?«, frage ich.
    »Er und seine Schwester sind als Welpen gemeinsam zu uns gekommen, aber seine Schwester starb, als er ein Jahr alt war. Der Tierarzt glaubt, dass es etwas damit zu tun haben könnte.«
    »Was macht er denn sonst so, außer aufs Wasser zu starren?«
    »Nicht viel«, sagt sie. »Und Sie?«
    »Ich würde gerne öfter aufs Wasser schauen«, sage ich.
    »Ja«, sagt sie, »aufs Wasser schauen ist gut für die Seele. Manchmal denke ich, dass ich den depressiven Hund vielleicht deshalb bekommen habe. Damit ich niemals aufhöre, aufs Wasser zu schauen. Kommen Sie gerade vom Sport?«
    »So ähnlich«, sage ich. Ich sehe sie an, ihren freundlichen Glanz, ihre wärmende Dunkelheit, und etwas in mir ploppt auf. Ich würde ihr gerne von den beiden toten Polizisten erzählen, von dem dumpfen Schmerz, der so was jedes Mal begleitet, ich sehe sie weiter an und merke, wie sich meine Zunge weiter lockert und auch der Rest, und ich möchte ihr am liebsten von allem erzählen, von all den Schmerzen und Gräben in mir, keine Ahnung, warum. Diese Frau kommt mir vor wie eine Erscheinung, ein Wesen aus braunem Licht, das sich um verfinsterte Seelen kümmert, um die Menschen wie die Hunde. Der Engel von Teufelsbrück.
    Ich reiße mich zusammen, wir schweigen und schauen aufs Wasser.
    Der Hund und ich rauchen noch eine.
    Die Zeit hört auf zu rennen.
    Aber irgendwann kommt meine Fähre, und ich schleppe mich zurück in die Wirklichkeit.
    »Sind Sie öfter hier?«, frage ich noch.
    Sie streicht ihr Shampooreklamenhaar zurück und sieht zu mir hoch.
    »Jeden Tag gegen Morgen und gegen Abend.«
    Gut. Das merke ich mir.

    * * *

    In meinem Büro in der Staatsanwaltschaft fühle ich mich wie von einer fremden Macht an den Schreibtisch geschleudert. Mir ist schwindelig und ganz klebrig im Kopf. Wahrscheinlich sollte ich mal was essen und nicht nur Kaffee trinken. Vor mir liegt ein Blatt Papier, da stehen sieben Namen drauf. Calabretta, Inceman, Schulle, Brückner. Kringe und Bartels aus dem Drogendezernat. Und dann noch der junge Tschauner von der Wache an der Lerchenstraße. Weil er zuverlässig ist und brennt und immer ein Ohr im Rotlichtviertel hat. Die Kollegen von den Drogen will ich dabei haben, weil sie sich gut in den noblen Gegenden auskennen, die haben da einfach oft zu tun. Kringe und Bartels sind alte Kumpels vom Inceman, er hält große Stücke auf die beiden. Und er hat mal gesagt, dass sie die Einzigen sind, denen er in dem Laden hundertprozentig vertrauen würde.
    Ich schreibe eine Nachricht an Kringe und Bartels, den Tschauner rufe ich an.
    »Tschauner hier.«
    »Riley.«
    »Frau Riley! Was verschafft mir die Ehre? Brauchen Sie einen Chauffeur?«
    »Nein«, sage ich. »Ich brauche eine Sonderkommission. Und ich hätte Sie gerne dabei.«
    »Worum geht’s denn?«
    »Heute Morgen sind zwei Polizisten erschossen worden«, sage ich.
    »Ich hab davon gehört«, sagt er. Kurze Pause. »Wo soll ich hinkommen?«
    »Holen Sie mich um eins hier ab, dann fahren wir zusammen ins Präsidium«, sage ich.
    »Also doch: Chauffeur!«

    * * *

    Jetzt, Mitte Mai, ist die Blaue Nacht Teil eines besonderen Schauspiels auf Sankt Pauli: Das Nachtleben beginnt bei Tageslicht. Denn auch wenn die Sonne sich seit Wochen nicht wirklich blicken lässt, das Licht ist an. Darauf ist Verlass im Norden. Vor zehn Uhr wird’s nicht wirklich dunkel. Aber die Bars machen natürlich trotzdem um acht auf, die Leute sind ausgehfein und um halb neun beschwipst, und alle Leuchtreklamen sind an. Die Häuser und die Menschen blinken aufgeregt durch die helle Gegend. Das führt zu einer merkwürdigen, kolorierten
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