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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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den die Zeugin aber nicht genau zuordnen konnte. Sie tippt auf irgendwas Osteuropäisches. Zur Tatzeit trug er eine schwarze Lederjacke, ein schwarzes Hemd, eine schwarze Hose und schwarze Schuhe. Der Mann war allein. Er trat aggressiv auf, schrie und pöbelte in der Gegend herum und lief vor dem Jenischpark auf und ab, als gelte es, den zu bewachen. Nachdem er mit dem Kugelhagel auf unsere Kollegen fertig war, ist er in die Richtung verschwunden.« Der Schulle zeigt mit dem Daumen über die Schulter zum Park.
    »Konnte die Frau sehen, wo genau er hingelaufen ist?«, fragt der Calabretta.
    Der Schulle schüttelt den Kopf. »Sie hat ihn nur zwischen den Bäumen verschwinden sehen.«
    »Und sie ist ja offensichtlich überzeugt davon, dass der Typ unter Drogen stand«, sage ich. »Nehmen wir das ernst?«
    »Sie war vehement in ihrer Behauptung«, sagt der Brückner. »Und mit dem muss schon irgendwas nicht gestimmt haben. Das hat auch der Anrufer angedeutet. Unser Mann hat sich wohl verhalten wie ein Wahnsinniger.«
    Wir schauen alle nochmal zum Jenischpark, als wäre da noch was, was wir wissen müssen. Bis auf die überall verstreuten Beamten der Hundertschaft liegt der Park still und friedlich und satt und grün und so was von gepflegt da, dass sich sogar die vielen Polizisten schmerzlos ins Bild fügen. Als könnte der Park alles heile machen. Wie aus dem Herzen eines Dichters geflossen und dann noch ordentlich Geld rübergekippt, damit auch wirklich nichts mehr schiefgehen kann. Ich glaube, hier wird einmal die Woche gebügelt.
    »Okay«, sagt der Calabretta, über ihm der dicke Himmel. »Der Schulle und ich kümmern uns um die Angehörigen.«
    Er kuckt den Brückner an.
    »Sie und der Kollege Inceman durchkämmen bitte nochmal in Ruhe den Park, wenn die anderen damit durch sind. Am besten machen Sie das gemeinsam mit den Spurenprofis. Vielleicht gibt es noch was, das wir erst sehen, wenn hier die Hektik raus ist.«
    »Und ich stricke uns eine Sonderkommission zusammen«, sage ich, »wir starten heute Nachmittag um 14 Uhr im Präsidium.«
    »Soll ich Sie in der Staatsanwaltschaft abliefern?«, fragt der Calabretta.
    Ich schüttele den Kopf. »Danke, ich nehme das Schiff. Ich muss auch nochmal zu Hause vorbei und duschen.«
    »Wär’ wahrscheinlich besser«, sagt der Brückner, aber ich trete ihm dafür nicht ans Schienbein. Ich ziehe Leine und mache mich auf den Weg zum Fähranleger.
    Der Leichenwagen ist da. Du kannst die Toten wegbringen, aber verschwinden lassen kannst du sie nicht.

    * * *

    Bei uns auf Sankt Pauli sind die Häuser in bunten Farben gestrichen, alles rauscht wild durcheinander. Hier unten am Wasser ist das Leben eine Nummer diskreter und aufgeräumter. Hellgrau, Vanillegelb, Eierschale. Und vor den Häusern stehen dicke, hohe Mauern. Falls das Wasser steigt. Falls die Blicke stören. Falls das Geld weg will. Ich weiß nicht. Für mich wäre das nichts.
    Der Fähranleger schwankt im Wasser. Keine Fähre in Sicht. Aber dafür Enten und Möwen, eine ganze Bande. Sie sammeln sich auf einem Stückchen Sandstrand, das sich unterm Steg gebildet hat. Sie stehen da, bewegen sich eher wenig und lassen sich den Regen auf den Kopf fallen. Als wäre das eine Art Pausenstation. Ein fauler, unbeobachteter Winkel ihres Vogeltages. Würde mich nicht wundern, wenn die eine oder andere hier heimlich rauchen würde.
    Ich zünde mir eine Zigarette an, laufe über den nassen, knirschenden Sand, stelle mich dazu und schmeiße ein »Darf ich?« in die Runde.
    »Wegen mir gerne«, sagt eine Frau.
    Ich drehe mich um und sehe sie unterm Steg auf einer Plastiktüte sitzen. Eine sehr schöne, ziemlich kleine Frau mit glänzendem kastanienfarbenen Haar. Sie trägt einen hellgrauen, teuren Mantel, eine schmale schwarze Hose und für dieses Wetter nicht geeignete zierliche Lackschuhe, die unverständlich sauber sind. Ihr Gesicht ist so klein und glatt und unverwüstet wie ihre Schuhe. Ihre Haut ist makellos und olivfarben. Sie lächelt mich an. Zu ihren Füßen sitzt ein Hund. Der Hund ist ein bisschen dicklich und hat zu viel schwarzes Fell. Er kuckt aufs Wasser und sieht sehr traurig aus. Hunde sehen ja schnell mal traurig aus, aber der Ausdruck in den Augen dieses Hundes hier sprengt alles, was ich bisher an Hundekummer gesehen habe.
    »Was hat er denn?«, frage ich.
    »Depressionen«, sagt sie, »schon seit Jahren. Der Tierarzt sagt, da kann man nichts machen.«
    Sie hat eine dunkelbraune Stimme, mit einem ganz leichten
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