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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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der Knastmauer und es wird etwas erträglicher. Ich drehe mich um und laufe ein Stück rückwärts. Ich sehe mir die roten Klinkermauern der schweren, alten Untersuchungshaftanstalt an, die vergitterten Fenster. Ich muss an die Gesichter dahinter denken. Wie sie rauskucken auf die Arbeiten in ihrem Hof. Durch die Gitter. Wie sie so lange auf die hohen Mauern mit den Stacheldrahtspiralen schauen, bis der Stacheldraht zurückschaut. Wie sie die ganze Zeit zuhören müssen und nicht weggehen können.
    Manche Geräusche sind so nervig, als wären sie allein dafür auf der Welt, Menschen zum Ausflippen zu bringen.
    Irgendwie ist das doch alles kein Wunder.
    Ich laufe den kleinen Hügel runter, an den Jasminbäumen vorbei und an den bunten Frühsommerblumen, über die ich mich immer freue, von denen ich aber nicht weiß, wie sie heißen. Eine Schande, so was nicht zu wissen. Scheiß Stadtkind. Ich laufe durch die Unterführung und über die für so einen schönen Park viel zu hässliche Brücke, klassische 80er-Jahre-Verbockung. Unter der Brücke dümpelt ekliges, schwarzstinkendes Wasser in einem schmalen Kanal. Das Wasser ist seit Wochen umgekippt, seit es Ende April ein paar Tage so heiß war. Da könnten sie sich ruhig mal drum kümmern, die Herrschaften vom Grünflächenamt. Als ich in dem Teil mit den großen, saftigen Wiesen und den Entenfamilien ankomme, ziehe ich mir meine Kapuze über den Kopf. Der Regen nimmt wieder Fahrt auf. Balanciert auf der Grenze zwischen ignorierbarem Nieselregen von allen Seiten und Jetztaberwirklichregen von oben. Hamburger Mai. Unverschämter Hamburger Mai. Ich meine: Dass der sich das traut.
    Mein Telefon klingelt.
    Der Calabretta ist dran.
    »Chef!«
    Es ist laut und hektisch am anderen Ende der Leitung, ich höre Männersohlen übers Laminat flitzen, und ich höre den Inceman reden, der telefoniert auch mit irgendwem. Die Kripomänner sind aus ihrer zähflüssigen Sonntagsbereitschaft geschreckt worden, rennen jetzt durch die Gänge des Präsidiums und sind auf dem Weg zur Tiefgarage. Ein paar nicht mehr ganz junge Mustangs, die Nüstern blähend. Ich lege auch schon mal einen Zahn zu und frage:
    »Was ist passiert?«
    »Schießerei in den Elbvororten!«
    So wie mein italienischer Kollege schnauft, sollte er demnächst vielleicht mal ein paar Runden mit mir im Park drehen. »Es hat zwei Kollegen erwischt.«
    Puh.
    »Wo genau?«
    »Am Jenischpark, schräg gegenüber vom Fähranleger«, sagt er.
    Oha. Feine Ecke. Da hat man’s eigentlich nicht so mit Schießereien. Und tote Polizisten sind ja generell ganz schlecht. Mir zieht sich eine sehr dünne, aber sehr effektive Schlinge um den Hals.
    »Ich bin in zwanzig Minuten da«, sage ich, lege auf und gebe Gummi. Die Enten watscheln durch den inzwischen klatschenden Regen und sehen mich an, als wäre ich ihnen vollkommen fremd.

    * * *

    Ich hab fast immer Glück mit Taxifahrern. Ich gerate meistens an die Profis. Die ohne digitale Assistentin den schnellsten Weg ans Ziel finden und Stimmungen lesen können. Die wissen, ob geredet werden darf oder nicht. Der Mann vor mir trägt flusige Haare zu speckiger Baseballkappe und Siebentagebart und hat noch kein Wort gesagt. Er hat nur die Augenbrauen hochgezogen und genickt, als ich gesagt habe, wo ich hin möchte. Dann hat er seine Musik wieder aufgedreht, irgendwas mit Gitarren, und Gas gegeben.
    Manchmal glaube ich, das Schicksal weiß, dass ich amateurhaftes Verhalten nur in der Liebe abkann.
    Der Regen hat ein bisschen nachgelassen, aber ein Durchbruch ist es nicht. Das geht schon seit Tagen so. Der Himmel hängt den Menschen bis auf die Schultern und die Schultern hängen ihnen bis auf die Knie und ganz Hamburg bewegt sich wie sediert im immergleichen Beat: di-prassel, di-prassel, di-platsch. Di-prassel, di-prassel, di-plitsch. Und nochmal von vorne. Di-prassel, di-prassel, di-platsch. Di-prassel, di-prassel, di-plitsch. So geht das ununterbrochen. Gar nicht so leicht, da bei der Sache zu bleiben. Nach zwei Minuten Aus-dem-Fenster-kucken fühlt sich mein Gehirn an wie durch den Mixer gejagt. Nach zehn Minuten Fahrt am Elbufer entlang, vorbei an Villen, die eher Schlösser sind, fährt mein Taxifahrer rechts ran, um mich rauszulassen. Direkt vor uns: trauriges Blaulicht auf einem schräg geparkten Streifenwagen ohne Polizisten, dahinter die Dienstfahrzeuge der Kripo und die Reste vom Notarztwagen, die Bestatter sind unterwegs. Eingerahmt wird das Ensemble von mehreren Polizeitransportern,
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