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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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Stimmung. Mein alter Kollege Faller nennt es immer: Kodak Theatre.
    Klatsche hat einen klugen alten Sessel und eine tapfere Couch vom Trödelmarkt vor die Tür der Blauen Nacht gestellt, dazu einen großen roten Sonnenschirm gegen das Wetter. Er sitzt in weiter Jeans und schmalem braunem Hemd auf seinem Sofa, seine dunkelblonden Haare stehen mindestens einen Meter vom Kopf ab, er raucht eine Zigarette und hat eine Flasche Astrabier in der Hand. Ein kleiner durchgeknallter Rinnsteinbiergarten ist das, wie sie es hier im Viertel an vielen Ecken gibt. Konzession für draußen? Nie gehört. Die Polizei hat Besseres zu tun. Bis auf die Staatsanwaltschaft. Die kümmert sich.
    »Hey«, sage ich, gebe Klatsche einen Kuss auf die unrasierte Wange und setze mich zu ihm auf die Couch. Das Ding ist so weich, es ist, als würde man versuchen, auf einer Qualle zu sitzen.
    »Hey«, sagt er, lächelt mich von der Seite an. »Schön, dich zu sehen. Bierchen?«
    Ich nicke. Gerne.
    Er steht auf, kuckt mich an.
    »Du bist blass, Baby. Hast du heute schon was gegessen?«
    Ich denke nach. Nein. Hab ich nicht.
    »Nein«, sage ich, »und nenn mich nicht Baby.«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Wenn man nicht die ganze Zeit auf dich aufpasst. Butterbrezel oder Pizza?«
    Plötzlich wird mir klar, wie monströs mein Hunger ist. »Pizza«, sage ich, »mit viel Mozzarella.«
    »Sonst noch was?«, fragt er.
    Ich sage »Kapern, bitte«, dann falle ich in die Rückenlehne, tief rein in die Couchqualle, ich lege den Kopf nach hinten, mache die Augen zu und lasse meinen Bauch über den Hans-Albers-Platz knurren, dass die Leute Angst kriegen. Klatsche ruft bei Slim Jims an und bestellt meine Pizza.
    »So, kommt gleich«, sagt er und versinkt wieder neben mir in den weichen Polstern. »Und jetzt sag schon: Was ist passiert?«
    Ich kriege die Augen nicht auf und den Mund auch nicht. Mein Hunger hat mich schlagartig müde gemacht.
    »Los. Ich seh dir doch an deiner arroganten Nase an, dass was nicht stimmt.«
    Ich drücke gegen meine Schläfen und erzähle von den beiden toten Polizisten. Klatsche hört zu. Er hört sich alles an, auch das Unwichtige. Da ist der einfach saugut drin. Wenn er mir zuhört, habe ich das Gefühl, vollständig zu sein.
    »Sagt dir der Typ irgendwas?«, frage ich.
    »So auf den ersten Blick, oder was?«
    Ich nicke.
    »Klassischer Stiernacken«, sagt er. »Kleiner Gangster in teurer Lederjacke. Hört sich ein bisschen an wie ein durchgeknallter Türsteher. Einer, der mit irgendwas mal richtig den Dicken machen wollte. Und dann ist ihm seine Aufgabe über den Kopf gewachsen.«
    Er zündet sich eine neue Zigarette an und trinkt einen Schluck Bier. »So sehe ich das.«
    »Aber dir fällt jetzt konkret keiner ein«, sage ich.
    »Mir fallen konkret ein paar hundert ein. Ah, kuck mal, Baby. Dein Abendbrot kommt.«
    Wenn der mich heute noch einmal »Baby« nennt, knall’ ich ihm eine. Na ja: würde ich ihm eine knallen. Wenn ich nicht so schwach wäre. Mal kucken, was nach der Pizza so geht.
    Ein sehr junger Mann mit einer sehr großen Tasche, ein Fahrrad ohne Schutzbleche, eine Pizza ohne Schnickschnack.
    »Ist die schon geschnitten?«, fragt Klatsche.
    Der Kurier nickt.
    »Vielen Dank«, sage ich, drücke ihm einen Zehner in die Hand, freue mich über den Karton auf meinen Knien und fange sofort an zu essen. Der warme Käse wird nicht nur die Löcher in meinem Magen stopfen sondern für ein paar Minuten auch die in meiner Seele. Warmer Käse ist da ganz groß drin.
    »Hörst du dich mal vorsichtig um?«, frage ich und kaue.
    »Nach dem Typen jetzt?«, fragt Klatsche.
    »Vielleicht auch eher so generell«, sage ich. »Ob der Polizistenmord Thema ist auf dem Kiez. Und wenn ja, wie. Falls dabei eine Info über den Täter für mich rausspringt, bin ich natürlich nicht böse. Willst du’n Stück?«
    Ich halte ihm meinen Pizzakarton hin.
    Er brummt und nimmt sich ein Stück und dann gleich noch eins. Er geht auf Nummer sicher. Falls ich diesmal doch vorhabe, aufzuessen.
    Manchmal kommen wir mir vor wie ein gemeinsam vermerkwürdigtes altes Ehepaar. Wobei wir in Wirklichkeit das komplette Gegenteil davon sind, und »alt« ja sowieso nur auf mich zutrifft.
    Und auf den Faller.
    Ich kann ihn von weitem erkennen, wie er am unteren Ende des Platzes den Hut ein bisschen lüftet und galant, aber unauffällig die Damen vom Gewerbe begrüßt. Sie grüßen fröhlich zurück, ganz ohne Anzüglichkeit im Blick. Man kennt sich halt. Sein Mantel ist eine
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