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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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allem ein Raum, der Wunder wirkte – das sah man sogleich. Hier kleidete Anthony sich an, hier frisierte er sein makelloses Haar, hier tat er alles außer schlafen und speisen. Es war sein ganzer Stolz, dieses Badezimmer. Hätte er eine Geliebte, dachte er bei sich, so würde er ihr Bild gerade gegenüber der Wanne aufhängen, um, in den besänftigenden Dämpfen des heißen Wassers sich verlierend, daliegen, zu ihr aufblicken und warm und sinnlich von ihrer Schönheit träumen zu können.
    Die Lilie auf dem Felde
    Das Apartment wurde von einem englischen Diener mit dem einzigartig, ja beinahe theatralisch zutreffenden Namen Bounds sauber gehalten, dessen Perfektion nur durch den Umstand beeinträchtigt wurde, dass er einen ungesteiften Kragen trug. Wäre er ausschließlich Anthony verpflichtet – eben bound – gewesen, so wäre dieser Defekt rasch behoben gewesen, indes war er auch der Bounds zweier anderer Gentlemen in der Nachbarschaft. Von acht bis elf Uhr morgens gehörte er ganz Anthony. Er brachte die Post und [23] bereitete das Frühstück zu. Um neun Uhr dreißig zog er am Zipfel von Anthonys Bettdecke und sprach einige wenige markige Worte – Anthony konnte sich nie genau daran erinnern, worin sie bestanden, hegte aber den Verdacht, dass sie vorwurfsvoller Natur waren; daraufhin servierte er auf einem Kartenspieltisch im Wohnzimmer das Frühstück, machte das Bett und zog sich nach der etwas feindseligen Frage, ob es sonst noch etwas gebe, zurück.
    Vormittags, zumindest einmal in der Woche, suchte Anthony seinen Börsenmakler auf. Sein Einkommen betrug nicht ganz siebentausend im Jahr, Zinsen auf eine Geldsumme, die er von seiner Mutter ererbt hatte. Sein Großvater, der es nie zugelassen hatte, dass sein Sohn von einem sehr großzügig bemessenen Monatswechsel freikam, war der Auffassung, dass dieser Betrag für den Bedarf des jungen Anthony ausreichend sei. Immer zu Weihnachten schickte er ihm eine Anleihe in Höhe von fünfhundert Dollar, die Anthony, sofern möglich, meist veräußerte, da er stets ein wenig, wenn auch nicht sehr, in Geldnöten war.
    Die Besuche beim Börsenmakler reichten von Plaudereien halb geselligen Charakters zu Diskussionen über die Sicherheit von Geldanlagen zu acht Prozent, und für Anthony waren sie jedesmal ein Genuss. Das große Gebäude der Kreditbank schien ihn an die riesigen Vermögen anzubinden, deren Zusammenhalt er schätzte, und ihm zu versichern, dass er von den oberen Rängen der Hochfinanz angemessen betreut wurde. Von den umherhastenden Männern bezog er das gleiche Gefühl der Sicherheit, wie wenn er sich im Geiste mit dem Geld seines Großvaters befasste – ja es war noch stärker, kam ihm doch Letzteres geradeso vor wie [24] ein täglich kündbares Darlehen, das Adam Patchs moralischer Rechtschaffenheit von der Welt gewährt wurde, während das Geld in Downtown anscheinend eher durch schier unbezwingbaren Kraftaufwand und ungeheure Willensanstrengung zusammengerafft und beieinandergehalten wurde; außerdem sprach man hier, anders als zu Hause, offen und ausdrücklich über – Geld.
    So dicht er seinem Einkommen auch auf den Fersen war, er hielt es für ausreichend. Eines gesegneten Tages natürlich würde er über viele Millionen verfügen; bis dahin lag seine raison d’être in der Aufgabe, Essays über die Päpste der Renaissance zu schreiben. Dies geht zurück auf eine Unterredung mit seinem Großvater gleich nach seiner Rückkehr aus Rom.
    Er hatte gehofft, seinen Großvater tot vorzufinden, bei einem Anruf von den Landungsbrücken jedoch erfahren, dass Adam Patch wieder vergleichsweise wohlauf war – tags darauf hatte er seine Enttäuschung hinuntergeschluckt und war nach Tarrytown hinausgefahren. Fünf Meilen hinter dem Bahnhof bog seine Droschke in eine aufwendig gepflegte Auffahrt ein, die sich durch ein wahres Labyrinth von Mauern und Drahtzäunen schlängelte, von denen das Gut geschützt wurde – wie es allgemein hieß, geschah dies, weil zweifelsfrei feststand, dass der alte Cross Patch, wenn es nach den Sozialisten ginge, zu den ersten zählen würde, die sie meucheln würden.
    Anthony hatte sich verspätet, der verehrungswürdige Philanthrop wartete in einer Glasveranda auf ihn und blätterte nun schon zum zweiten Mal die Morgenzeitungen durch. Edward Shuttleworth, sein Sekretär – der vor seiner [25] Wiedergeburt Hasardeur, Barbesitzer und allgemein ein verkommenes Subjekt gewesen war –, geleitete Anthony ins Zimmer und führte
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