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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1)
Autoren: Bernhard Aichner
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Leichen. Du gehörst nach Wien und nicht auf den Friedhof.
    – Wie oft denn noch, Baroni, es geht mir gut hier.
    – Warum bist du geblieben, als er tot war?
    – Warum, warum, warum?
    – Du musst ihn wirklich sehr gemocht haben.
    – Wieder Bingo.
    – Du sprichst nie über ihn.
    – Bert Broll, Totengräber, geboren 1944, gestorben und begraben. Da unten. Reicht das jetzt?
    – Von mir aus. Und wie lange ist das mit Emma her?
    – Zehn Jahre.
    – Und seither habt ihr keinen Kontakt?
    – Sie war hier, als ihre Mutter starb. Wir haben uns nur kurz gesehen, sie ist gleich wieder zurück nach London.
    – London?
    – Sie hat dort ihr eigenes Label, sehr erfolgreich. Sie hat es wohl geschafft.
    – Du hast sie verlassen?
    – Es hat einfach aufgehört damals.
    – So etwas hört doch nicht einfach auf. Du hast darauf geschissen.
    – Ich hatte keine Wahl. Und jetzt möchte ich nicht mehr darüber reden.
    – Von mir aus. Aber was ist mit der Schwester?
    – Was soll mit ihr sein?
    – Du wirst sie eingraben.
    – Und?
    – Was noch?
    – Sie war Model und jetzt ist sie tot. Und Ende.
    – Die eine Designerin, die andere Model?
    – Können wir das lassen und einfach nur trinken?
    – Bitte, Max.
    – Nein.
    – Bitte, ich bin neugierig.
    – Mit siebzehn war sie auf vielen Titelseiten, international, sie wäre ganz groß geworden, ihr Gesicht war außergewöhnlich. Aber dann hat sie versucht, sich umzubringen, ist völlig zusammengebrochen, war drei Monate in der Anstalt. Danach hat sie wieder Wurst verkauft im Lebensmittelladen der Mutter.
    – Ich meinte Emma.
    – Und ich rede über Marga.
    – Eben.
    – Das Comeback hatte sie dann nach
Bauer sucht Frau
. Kattnig hat sie wieder groß gemacht.
    – Wer ist Kattnig?
    – Ein Fotograf, er hat sie damals in der Dorfdisco gefunden, entdeckt, gecastet, sie zum Model gemacht. Er wurde ihr Manager, hat sie bis ganz nach oben gebracht. Und nach dem Absturz ein zweites Mal.
    – Rührende Geschichte. Aber was ist mit Emma?
    – Es kommt noch besser, hör dir das an. Sie hat sich verliebt bei den Dreharbeiten. Marga Huber hat den Bauern bekommen.
    – Weiß ich doch.
    – August Horak.
    – Wie gesagt, ich schaue fern und ich lese Zeitung. Das Model und der Schweinebauer, stand doch überall. Ich wusste nur nicht, dass sie die Schwester deiner großen Liebe war.
    – Wer redet von großer Liebe?
    – Leider niemand, aber du könntest endlich damit anfangen.
    – Armer Teufel.
    – Muss hart sein.
    – Hab ihn beim Fischen gesehen gestern.
    – Fischen? Im Winter?
    – Draußen am See, ein kleines Loch im Eis und stundenlanges Warten in der Kälte.
    – Krank.
    – Kalt.
    – Und?
    – Er hat seinen Schweinehof verkauft und ist hierher gezogen.
    – Wie im Märchen.
    – Aber im Märchen springen sie nicht.
    – Könntest du jetzt endlich über Emma reden?
    – Wir brauchen mehr Wein.
    – Von mir aus.
    Max trinkt, er muss trinken. Was passiert ist, ist ihm zu viel, Emmas Anruf, ihre Stimme, alles. Was sie gesagt hat, dass sie plötzlich wieder in sein Leben kommt. Der Sonntag ist eben noch gut zu ihm gewesen, jetzt drückt er ihn tief nach unten, zurück in die Vergangenheit. Max will nicht wieder darüber nachdenken, ob seine Entscheidung richtig war oder nicht. Damals ist vorüber. Jetzt ist es wieder da, alles. Er wird sie sehen, sie wird in wenigen Stunden hier sein, zu ihm kommen, vor ihm stehen, ihn anschauen, ihm dieselben Vorwürfe machen wie vor zehn Jahren, sie wird es tun, er weiß es. Er trinkt. Baroni trinkt mit ihm. Die Sonne verschwindet. Mit jedem Schluck rückt Emmas Ankunft näher, mit jedem Gedanken an sie verdunkelt sich der Himmel ein Stück mehr.
    Als Max ein Kind war, untersuchte er die Knochen und die Schädel, während sein Vater die Schalung anbrachte. Knochen, die mit der Erde nach oben flogen, direkt vor seine kleinen Füße. Rippen, Wadenbeine, Fingerknöchelchen, Schlüsselbeine, alles gab es da unten in den schwarzen Löchern. Immer war das so, die Knochen gehörten dazu. Nie war die Welt bedrohlich, auch nicht, wenn der Tod ganz nah war, wenn er mit Tränen um sich schlug, wenn die traurigen Gesichter am Friedhof waren. Für Max gehörte der Tod zum Leben, der Beruf seines Vaters war so normal wie jeder andere.
    Bert Broll war über 34 Jahre Totengräber im Dorf, er war der beste Vater der Welt, er war alles, was Max hatte für lange Zeit. Dann kamen Tilda und Emma, eine neue Frau an der Seite seines Vaters, eine an seiner. Tilda, die
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