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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1)
Autoren: Bernhard Aichner
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sich sofort an, alle ziehen sich an.
    – Hanni, es reicht.
    – Das ist mein Ernst, Broll, das hat jetzt ein Ende.
    – Hanni, du sollst dich jetzt anziehen, der Herr Pfarrer hat für heute genug gesehen.
    Max lacht. Das Fenster geht zu wie immer, die Drohungen sind leer wie immer. Nichts passiert, nur drei Nackte im Garten, die Sonne, Hanni, wie sie nicht aufhört, Max anzusehen, seinen Körper, sein Gesicht. Wie sie die Männer mit zärtlichen Klapsen zurück in die Sauna treibt. Wie Baroni zum Essen ruft.
    Es ist nicht Baronis Stimme, die Max hört, es ist Musik, mit der Baroni ihn nach oben lockt, weg von den anderen. Baroni steht auf der Terrasse, er hat einen Hühnerflügel in der Hand, winkt und grinst. Max steht im Garten und schaut nach oben, er tritt von einem Bein auf das andere, ignoriert die Kälte, er liebt dieses Klavierkonzert, er will nur die Sonne in seinem Gesicht, die Musik, er will sie spüren, kalt auf seinen Fußsohlen. Er beginnt zu laufen, rennt durch den Garten, wärmt sich, laut die Musik von oben, Max kennt jeden Ton, er rennt, Baroni lacht. Sein nackter Freund läuft durch den kalten Garten, er ist glücklich. Einfach so.
    Fünf Jahre ist es her, dass Baroni am Discoparkplatz verzweifelt versucht hat, sich vor den Dorfproleten zu retten, ihren Schlägen zu entkommen. Max hat ihm geholfen, hat ihn gehört, keine Hilferufe, sondern Beschimpfungen. Mit jedem Tritt, den Baroni einstecken musste, wurden sie lauter, er schrie die Dörfler an, machte sie noch wütender, mit jedem Wort, mit jedem Stöhnen, das er unterdrückte. Anstatt sich zu unterwerfen, bellte er, kläffte, kratzte, biss.
    Max schaute zuerst nur zu. Er wusste, wer es war, der da eine Abreibung bekam, wer da herumschrie, anstatt still und verwundet liegen zu bleiben. Johann Baroni, großer Sohn des Dorfes, Bundesligafußballer in Österreich, Deutschland, Spanien, ein Star, Torschützenkönig, Held, Mythos fast, dann zur Ruhe gesetzt, Pensionist mit Zweitwohnsitz in seiner alten Heimat, zurückgekehrt zu den Wurzeln. Im Dorf geboren, im Dorf aufgewachsen, seine ersten Tore beim kleinen Provinzverein gefeiert, dann die große weite Welt entdeckt und das Dorf vergessen, schließlich ins Dorf zurückgekehrt, als ob nichts gewesen wäre. Das rieben sie ihm unter die Nase, immer wenn er ihnen unterkam. Er war keiner mehr von ihnen, egal, ob sie ihm zugejubelt hatten früher, er bekam Schläge, denn heute tat er nichts mehr für sie, erinnerte sie nur daran, wie erfolglos sie waren, wie klein.
    Sie schlugen auf ihn ein. Weil sein Mund zu weit aufging, wenn er betrunken war, weil er das blöde Gerede nicht einfach hinnahm, weil er sich wehrte. Baroni war Stürmer, kein Verteidiger, er holte aus, anstatt einzustecken. Vor fünf Jahren vor der Disco, sein Gesicht, schmerzverzerrt, wütend. Max beschloss zu helfen.
    Wie verwundert sie waren, als er plötzlich auf sie zustürmte und um sich schlug. Baroni löste sich aus den Umklammerungen, lief zur Höchstform auf, gemeinsam mit Max schlug er sie in die Flucht. Sie prügelten in Gesichter, Bäuche, Rücken, überall hin. Wie Max aus der Nase blutete. Wie seine Schulter weh tat, wie Baronis Gesicht blau war, seine Rippen schmerzten. Wie wild waren sie, rasend, mit Leidenschaft. Max und Baroni, Freunde seit dieser Nacht. Sie lachten verletzt und holten sich Bier. Am Parkplatz saßen sie und tranken. Damals, wortlos. Jetzt die Musik von oben.
    Max, wie er durch den Garten rennt, dann durch die kleine Tür in der Mauer. Max will nach oben, zu Baroni, zu der Musik, zum Essen, er will unter die Dusche, das warme Wasser. Zufrieden geht er ins Bad und wärmt sich, er mag diesen Sonntag, er mag sein Leben, alles stimmt, nichts sollte anders sein.
    Agnes serviert auf der Terrasse. Die Pfarrersköchin, die heimlich für ihn kocht, die sich immer wieder über den Kirchplatz schleicht mit Plastikdosen und Töpfen, Agnes, die liebevoll Mahlzeit sagt. So wie sie es schon vor zwanzig Jahren getan hat, vor dreißig, wie sie immer schon das Essen gebracht hat, für Max, für seinen Vater. Wie sie sich um die beiden gekümmert hat, nachdem die Mutter tot war. Egal, ob es die Pfarrer guthießen oder nicht. Vier hat sie hinter sich, Stein ist ihr fünfter. Sie ignoriert sein Verbot, für Max zu kochen, sie betrachtet es als ihre Pflicht, dass der Junge zumindest dreimal in der Woche etwas Vernünftiges auf den Teller bekommt. Sie macht den Salat an, gießt Sauce über das Huhn, scherzt mit Baroni, als Max
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