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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1)
Autoren: Bernhard Aichner
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Reichen sich in den Haaren lagen, dass der ganze Erfolg letztendlich auch zu nichts führte. Sie mochten es, dass auch ein Baroni von der Leiter wieder herunterfiel. Das war Genugtuung für das Dorf. Ist es immer noch.
    Baroni leckt sich die Lippen. Max leert Wein aus der Flasche. Die Sonne ist immer noch da, die Heizpilze täuschen immer noch Frühling vor, die Hühnerflügel von Agnes liegen in zufriedenen Bäuchen. Alles ist, wie es sein soll, nur das Telefon in der Hosentasche von Max stört. Max zögert, er will nichts wissen von der Welt, wer ruft ihn am Sonntag an? Der Pfarrer? Er will nicht, aber es hört nicht auf zu läuten, er nimmt es heraus. Die Nummer kennt er nicht. Immer noch zögert er, er ist neugierig. Dann hebt er ab.
    Mit einem Schlag verschwindet das Sonntagsglück aus seinem Gesicht, ein großes Stück Vergangenheit fällt plötzlich auf ihn, in sein Ohr, mitten auf seine Terrasse. Wie sein Mund offen steht. Wie er ihre Stimme hört.
    – Max?
    –
    – Max?
    – Emma, bist du das?
    – Ich brauche dich.
    –
    – Hörst du mich? Max?
    – Warum rufst du mich an?
    – Du musst ein Loch graben.
    – Was soll ich?
    – Du musst jetzt zum zweiten Mal ein Loch für mich graben.
    – Was ist passiert, Emma? Geht es dir gut?
    – Marga ist gesprungen. In Wien, gestern.
    – Marga ist tot?
    – Ich bin am Flughafen, sie bringen sie am Nachmittag ins Dorf.
    – Das kann nicht sein. Marga, gesprungen. Warum? Emma?
    – Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich noch einmal brauchen würde.
    – Sie hat sich umgebracht?
    – Ja. Endgültig.
    – Du kommst her?
    – Ja.
    – Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
    – Jetzt kannst du deine Arbeit machen. Max Broll, der Totengräber. Bravo, Max, fang schon mal an zu graben.
    – Emma, lass das, bitte.
    – Sie bringen dir die Leiche mit dem Auto. Ich fliege in zwei Stunden nach Wien. Dann weiter zu dir.
    – Das tut mir sehr leid.
    –
    – Emma? Komm schon, sag was.
    – Nein.
    – Ich hol dich vom Flughafen ab, wann kommst du?
    – Du sollst nur das Loch graben, sonst nichts, Max.
    Wie ihre Stimme plötzlich da war. Wie sie wieder verschwand. Emma. Mit ihr hat er nicht gerechnet, nicht mit ihr. Plötzlich am Telefon, plötzlich wieder da, in seinem Leben, auf seiner Terrasse, in seinem Ohr. Max sitzt da und sagt nichts, blass, sein Mund ist offen.
    – Wer war das?
    – Eine Freundin von früher.
    – Freundin oder Freundin?
    – Freundin.
    – Wow.
    – Emma. Sie ist von hier, vielleicht kennst du sie noch, Emma Huber, die Tochter von der Greißlerin.
    – Lange her.
    – Marga hat sich umgebracht, ihre Schwester.
    – Ups.
    – Ja.
    – Warum?
    – Sie hat es schon einmal probiert. Sie war Model, sehr erfolgreich, dann ist sie abgestürzt, weit hinunter. Sie hatte nur noch 42 Kilo. Dann hat sie sich aufgeschnitten, wäre fast verblutet. Sie ist in eine Klinik gekommen und vorbei wars mit der Modelkarriere.
    – Ist das nicht die, die bei
Bauer sucht Frau
war?
    – Du hast das gesehen?
    – Sicher, man muss doch wissen, was los ist in diesem Land. Und gegen hübsche Mädchen habe ich ja bekanntlich nichts.
    – Durch die Sendung hat sie es wieder nach oben geschafft.
    – Gut für sie.
    – Sie ist tot, Baroni.
    – Und jetzt musst du arbeiten, oder was? An einem Sonntag, Max, was hast du nur für einen Beruf.
    – Aufhören, Baroni.
    – Wegen Marga oder wegen deiner Freundin?
    – Ex.
    – Emma also?
    – Ja.
    – Ist sie hübsch?
    – Sehr.
    – Was war mit ihr?
    – Wir sind gemeinsam nach Wien. Sie hat Mode studiert.
    – Warum hast du nie von ihr erzählt?
    – Ist lange vorbei.
    – Du sprichst überhaupt nie über Wien.
    – Warum sollte ich?
    – Weil es mich interessiert. Weil es zu dir gehört.
    – Was willst du wissen?
    – Du hast Publizistik studiert?
    – Das weißt du doch.
    – Warum hast du abgebrochen?
    – Auch das weißt du. Lassen wir das.
    – Weil dein Vater krank war.
    – Bingo.
    – Du bist zurück ins Dorf und Emma blieb in Wien?
    – Wieder Bingo.
    – Idiot.
    – Warum?
    – Dorf statt Wien, Dorf statt Emma, Friedhof statt Publizistik. Idiot.
    – Ich musste das tun. Für ihn. Ihn pflegen, für ihn da sein, ich hätte mir das nicht verziehen sonst. Er hat auch alles für mich getan. Ich hatte keine Wahl.
    – Er hat dir nicht gesagt, dass du seine Arbeit machen sollst. Das warst du ganz allein.
    – Können wir das lassen? Ich habe jetzt andere Sorgen.
    – Anstatt zu studieren, anstatt Emma zu vögeln, vergräbst du jetzt
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