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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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sie gestorben sein könnte?«, fragte
er.
    »Ich vermute, es war eine heftige allergische Reaktion, ein
anaphylaktischer Schock. Vermutlich ist ihr Herz dabei einfach stehen geblieben.
Es muss sehr schnell gegangen sein.«
    Ferschweiler blickte sich erneut um. Er konnte in dem trotz der
vielen bunten Farbspritzer an den Wänden und auf dem Boden eher sauber und
aufgeräumt wirkenden Atelier keinerlei Lebensmittel oder Getränke entdecken,
auch keine Substanzen, die seines Wissens eine heftige allergische Reaktion
hätten auslösen können. Und im November gab es auch keine stechenden Insekten
mehr.
    »Was könnte deiner Meinung nach diesen heftigen anaphylaktischen
Schock ausgelöst haben?« Ferschweiler war ratlos.
    »Ich tippe auf die Farben, mit denen sie gearbeitet hat. Verschiedene
Pigmente können heftigste Reaktionen im Körper auslösen und zu starken
Vergiftungen führen, wenn man sie oral zu sich nimmt oder sie auf einem anderen
Weg in die Blutbahn gelangen. Nach der Untersuchung in der Gerichtsmedizin
wissen wir es genau. Tot ist sie jedenfalls seit knapp zwei Stunden. Ich
schätze, dass sie zwischen neunzehn und zwanzig Uhr gestorben ist.«
    Dr.   Quint ächzte, als er aufstand. Mit seinen vierundsechzig Jahren
und knapp hundertdreißig Kilo war er körperlich nicht mehr unbedingt dafür
geeignet, auf dem Boden kniend oder in Hockhaltung Arbeiten zu verrichten.
    »Ich bin jetzt fertig, Rudi. Kann ich die Leiche abtransportieren lassen?«,
fragte er.
    »Ja, ja, nur zu«, antwortete Ferschweiler gedankenverloren.
    Der Deckel der Leichenbahre aus Chrom-Nickel-Stahl war noch nicht
ganz geschlossen, da wurde die Eingangstür des Ateliers aufgestoßen, und eine
sichtlich um Fassung ringende Frau mit wirren Haaren stand atemlos im Raum.
    »Um Himmels willen, was ist denn hier passiert?«, wandte sie sich
ziellos an die Uniformierten. »Wer von Ihnen ist der leitende Beamte?«
    »Das bin ich«, meldete Ferschweiler sich zu Wort. »Mein Name ist
Rudolph Ferschweiler. Ich bin Hauptkommissar bei der Trierer Mordkommission.
Und mit wem habe ich die Ehre?«
    »Mordkommission? Wieso Mordkommission? Ist die Leiche denn ermordet
worden?«
    »Momentan kann und darf ich Ihnen dazu keine näheren Auskünfte
geben. Nur so viel: Die Leiche war schon tot. Sie konnte also nicht mehr
ermordet werden.«
    Die Frau sah ihn verwirrt und fragend an.
    Ferschweiler bedauerte seinen pietätlosen Kalauer sofort. Vielleicht
war er tatsächlich schon zu lange im Dienst, hatte zu viel gesehen und erlebt.
Schnell fügte er hinzu: »Aber vielleicht könnten Sie nun so freundlich sein und
mich über Ihre werte Identität aufklären?«
    »Ich bin Dr.   Natascha Berggrün, die Leiterin der Akademie. Ihr Kollege
Wim de Boer hat mich telefonisch benachrichtigt. In all den Jahren, die ich
schon in Trier bin, ist so etwas in meiner Institution noch nicht passiert.«
    Ferschweiler trat mit ihr auf den Flur hinaus.
    »Wer ist die Tote denn?«, fragte Dr.   Berggrün, die völlig hilflos wirkte.
    »Sie heißt Melanie Rosskämper. Kannten Sie die Dame?«
    Natascha Berggrün schien nun den Tränen nahe zu sein. »Melanie
Rosskämper? Ihr Mann ist der Vorsitzende unseres Fördervereins.«
    »Ihr linker Oberschenkel ist bemalt. Können Sie sich vorstellen,
warum?«
    »Sie …« Dr.   Berggrün blieb kurz die Stimme weg. »Sie hat an
einer Fotoserie mit Körperbemalungen gearbeitet. Moni Weiß, ihre momentane
Dozentin hier an der Akademie, hat sie darauf gebracht. Frau Rosskämper wollte
immer etwas anderes, etwas Neues, Besonderes machen.«
    »Und warum hat sie ganz allein in einem so großen Atelier
gearbeitet?«
    »Moni Weiß ist heute mit ihrem gesamten Kurs nach Luxemburg
gefahren, um sich im neuen Museum für moderne Kunst, dem Musée d’Art Moderne
Grand-Duc Jean, eine Ausstellung anzusehen. Sie legt nicht nur großen Wert auf
die praktische künstlerische Arbeit, sondern sie fordert ihre Kursteilnehmer
auch dazu auf, sich kritisch mit anderen künstlerischen Positionen der
Gegenwart auseinanderzusetzen. Frau Rosskämper hatte daran allerdings kein
Interesse. Sie wollte lieber die Ruhe des Ateliers nutzen, um zu arbeiten.«
    Ferschweiler musste sich eingestehen, dass er noch keine blasse Ahnung
hatte, was vorgefallen war. Und er war müde. Er wollte in den »Standhaften
Legionär« zu Rosi, die sicherlich auf ihn wartete und vielleicht noch die Küche
geöffnet hielt.
    »Wir sollten uns morgen früh weiterunterhalten, Frau Dr.  
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