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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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Spitze und erwiderte:
    »Heute war der letzte Tag der Ausstellung. Morgen wird alles
abgebaut und eingelagert.«
    Na, dachte Ferschweiler, wirklich schade ist es da nicht drum. Und
im Dunkeln hält sich Kunst auch viel besser. So hatte er zumindest einmal
irgendwo gelesen.
    Atelier C war äußerst geräumig und machte einen chaotischen Eindruck.
Überall standen von Farbresten überkrustete Staffeleien herum. In der Mitte des
Raumes lagen alte Wolldecken und Matratzen auf dem Boden, die von einigen
ausgeschalteten elektrischen Heizstrahlern umgeben waren.
    »Momentan wird hier Aktzeichnen unterrichtet«, erklärte de Boer.
»Der Kurs dauert noch bis Ende der kommenden Woche.«
    Aktzeichnen … Das war vermutlich hauptsächlich eine
Beschäftigung für alte Männer.
    Dann sah Ferschweiler die Leiche.
    Ferschweiler war tief getroffen. So etwas hatte er in
seiner ganzen Karriere noch nicht gesehen. Ihm waren schon viele Leichen untergekommen,
aber das hier war etwas völlig anderes. Vor ihm lag, vom Bauch ab vollständig unbekleidet,
die vielleicht schönste Frau, die er jemals in seinem Leben gesehen hatte –
mit Ausnahme von Rosi natürlich, wie sich Ferschweiler schnell, aber mit dem
Anflug eines schlechten Gewissens sagte.
    Die Frau war blond, hatte langes, glattes Haar und war mädchenhaft
schlank – Modelmaße, wie Dr.   Quint, der anwesende Gerichtsmediziner,
wissend bestätigte. Aber das, was sich ihm nun bot, war ein Bild des
Schreckens: Mit grotesk angewinkelten Beinen, die Arme weit abgespreizt, lag
die Tote auf dem Rücken. Ihren Oberkörper bedeckte ein seidener Kimono, den
Ferschweiler eher in einem Theaterfundus als am Körper dieser toten Göttin
vermutet hätte. Die Augen waren weit aufgerissen, der Mund stand wie zu einem
stummen Hilfeschrei offen. Direkt neben ihr lagen ein umgestürzter Stuhl sowie
einige Pinsel.
    »Wir haben sie anhand ihrer Ausweispapiere identifiziert. Der Name
der Toten lautet Melanie Rosskämper, geborene von Schnüffies. Sie ist
neunundzwanzig Jahre alt und wohnhaft in der Blandine-Merten-Straße«,
referierte de Boer sachlich. Auf ihn schien die Tote keinen großen Eindruck zu
machen.
    »Ihr Körper weist keine äußeren Verletzungen auf«, merkte Dr.   Quint
an. »Auch keine älteren Einstiche oder Ähnliches, was eventuell auf
Drogenmissbrauch schließen lassen würde.«
    »Sie ist so schön«, entfuhr es Ferschweiler.
    »Ja«, sagte de Boer. »Und ihr Mann ist der Leiter der ›Kinderwunschklinik
Babytraum‹ auf dem Petrisberg. Ihr Vater ist Besitzer eines der besten
Weingüter an der Mittelmosel und Eigentümer der weltweit größten Sammlung von
künstlerisch gestalteten Weinetiketten.«
    »Weinetiketten? Wer sammelt denn so was?«, fragte Ferschweiler
kopfschüttelnd.
    »Mehr Leute, als du denkst. Allein im Landkreis Trier-Saarburg beschäftigen
sich mindestens achtzig Personen damit auf hohem bis höchstem Niveau.«
    »Woher weißt du denn das, de Boer?«
    »Na ja, ich gehöre selbst zu dieser illustren Gemeinschaft.«
    »Als Holländer? Wären da nicht eher Genever-Etiketten angemessen?«,
knurrte Ferschweiler.
    »Du musst es ja wissen.«
    Beleidigt zog sich de Boer in eine Ecke des Ateliers zurück und
sprach mit einigen uniformierten Kollegen. Ferschweiler wandte sich wieder der
Toten zu. Ihren linken Oberschenkel zierte ein Bild. Ferschweiler schaute
genauer hin, und ihm schien, als sei das dort auf der nackten Haut der Toten
eine Landschaft.
    »Ist das ein Tattoo, oder ist das gemalt?«, fragte er Dr.   Quint, der
ebenfalls gerade dabei war, den Oberschenkel der Toten zu untersuchen.
    »Gemalt, Rudi«, antwortete der routinierte Pathologe, der bald in
den Ruhestand gehen würde und den Ferschweiler schon seit einer Ewigkeit
kannte. »Sie scheint bis zu ihrem Tod an diesem Bild auf ihrem Schenkel
gearbeitet zu haben. Sieh hier: Ihre Pinsel liegen noch alle beisammen.«
    Ferschweiler schaute auf den Boden neben der Leiche. Auf dem Stuhl
musste Melanie Rosskämper bis zum Augenblick ihres Todes gesessen und ihn dann
mit sich umgerissen haben. Die Pinsel hingegen waren fein säuberlich
nebeneinander abgelegt, nur einer lag etwas abseits, so als ob er ihr während
des Todeskampfes aus der Hand gefallen wäre.
    Auf einem Tischchen unweit des umgefallenen Stuhls stand ein offener
kleiner Metallkoffer, ähnlich einem Beauty-Case, in dessen Inneren Ferschweiler
eine Reihe von kleineren und größeren Apothekenfläschchen sah.
    »Hast du schon einen Verdacht, woran
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