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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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gewesen. Ihm war es lediglich darum gegangen, ein gutes Abitur zu machen.
Er wollte im Leben etwas erreichen, wollte schon früh Polizist werden,
Verantwortung übernehmen. Für ihn war das keine Entscheidung gewesen, mit der
er sich schwergetan hätte. Das große Geld hatte er dabei nie im Sinn gehabt.
Vielmehr liebte er seine Stadt und seinen Kiez so sehr, dass er sich für beides
einsetzen wollte.
    Heute, sein dichtes schwarzes Haar wurde allmählich grau, wirkte er
im Polizeipräsidium manchmal wie ein Fossil, wenn die neuen Kollegen mit fast
rasierten Schädeln in ihren körperbetonten dunkelblauen Uniformen mit ihm bei
Besprechungen zusammenkamen. Keiner nannte ihn dort den »schönen Rudi«.
    Das Tor zur Akademie stand offen. Der Müll, der aus den
Containern daneben quoll, stank penetrant, und Ferschweiler spürte Ekel in sich
aufsteigen. Schnell lenkte er seine Schritte auf den Hof hinter der Mauer, die
das Gelände der Kunstakademie umgab und an der er erst vor Kurzem auf seinem
Weg zu Rosi entlanggelaufen war. Tatsächlich hatte er das Gelände zuletzt als
Kind betreten. Seine Mutter hatte sich hier immer Schlachtabfälle besorgt und
diese dann anschließend gemeinsam mit ihren Schwestern und Schwägerinnen in
seiner Erinnerung zu zu Köstlichkeiten verklärten Gerichten verarbeitet.
    Nichts war von der Atmosphäre des einstigen Schlachthofs geblieben
abgesehen von den steinernen Rindsköpfen in den Giebeln der alten Abdeckerei.
Ansonsten war alles weiß und gepflegt. Auf dem sauber gepflasterten Gelände
hatte man Bäume gepflanzt, und zwischen den einzelnen Gebäuden erhob sich die
Glasfassade der Kunsthalle, die die einst freistehenden Gebäude des ehemaligen
städtischen Schlachthofs jetzt miteinander verband. Dort also wurden die ganzen
Klecksereien präsentiert. Wie hatte sein Cousin das nur ausgehalten?
    »Da bist du ja«, hörte Ferschweiler eine Stimme hinter sich.
    Wim de Boer, der einen weißen Overall und Gummistiefel trug, stand
auf dem Platz vor der Kunsthalle und winkte ihm zu.
    »Wir haben schon auf dich gewartet.«
    Ferschweiler war mit seinem aus Krefeld stammenden Kollegen noch
nicht richtig warm geworden, obwohl sie nun schon seit ein paar Monaten
miteinander arbeiteten. Manchmal wusste er nicht recht, was er von de Boer
halten sollte. Sein Assistent war ein gewissenhafter Polizist, aber bisweilen
etwas zu vorschnell und vorwitzig. Bei der Kripo nannten sie ihn »den
Holländer«, weil de Boer der Sohn eines Niederländers und einer Deutschen war.
Seit er in ihrer Abteilung angefangen hatte, kursierten um seine Person viele
Gerüchte. Böse Zungen behaupteten, er könne fachlich rein gar nichts und sei
nur durch familiäre Bande zu seinem Posten an der Mosel gekommen. Ferschweiler
selbst hatte sich noch keine Meinung gebildet. Nur die Leidenschaft seines
neuen Kollegen für Fußball in Orange und Kroket en frietjes oder Kipsaté met pindasaus war
ihm aufgefallen und befremdete ihn. Ferschweiler selbst war eher unsportlich
und aß am liebsten gebratene Lyoner mit Zwiebeln und deftigen Bratkartoffeln,
eine Spezialität des benachbarten Saarlands. Auch für den heimischen Terdich
konnte er sich erwärmen. Aber nur mit gebratener Blutwurst, die musste
unbedingt dabei sein.
    »Wo ist denn dieses Atelier C?«, fragte er seinen Kollegen.
    »Hier entlang. Aber krieg keinen Schreck. Es ist kein schöner Anblick.«
    Ferschweiler musste innerlich lächeln. Für wie zartbesaitet hielt der
Holländer ihn eigentlich? Da musste zwischen ihnen noch viel passieren.
    »Gibt es Zeugen?«
    »Nein, nicht wirklich«, antwortete de Boer und öffnete die Tür zur
Kunsthalle. »Eine Putzfrau, Ulrike Kinzig, wohnhaft in Konz-Roscheid, hat die
Tote gefunden. Sie hat nichts angefasst und sofort die Kollegen von der
Leitstelle informiert. Sie hält sich zur Verfügung.«
    Ferschweiler winkte ab. »Erst will ich den Tatort sehen.«
    Sie durchquerten die Kunsthalle, die in gleißend helles Neonlicht
getaucht war. Ferschweiler musste unweigerlich an seine Bierabende mit den
Freunden denken, als er im Vorbeigehen die Bilder an den Wänden sah. Informel,
das geht schnell.
    »Was zeigen die denn hier gerade?«, fragte er de Boer.
    »Eine Retrospektive von Erich Kraemer, dem Gründer der Kunstakademie
und wichtiger Vertreter des deutschen Informel.«
    »De Boer, du bist ja ein echter Kunstkenner«, griente Ferschweiler.
Sein Kollege war sichtlich getroffen von so viel Sarkasmus, reagierte aber
nicht auf Ferschweilers
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