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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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Weitere acht
Minuten später haben Sie uns dann die Tür geöffnet.«
    Der vollkommen in
Schwarz gekleidete Kommissar benetzte mit seiner Zunge kurz die Lippen und fuhr
ohne eine weitere Bewegung fort: »Der Notarzt, den wir für Ihren Besuch leider
vergeblich gerufen hatten, wollte wohl doch nicht ganz umsonst gekommen sein
und hat Ihnen ein Beruhigungsmittel gegeben. Das hat uns beide gut anderthalb
Stunden gekostet. Da aus Ihnen auch vorher kein Wort herauszukriegen war, ist
das zu verschmerzen. Gehen wir davon aus, dass die Uhr dort oben auf dem Regal
genau geht, dann beehren Sie uns hier mittlerweile vierundzwanzig Minuten lang
mit Ihrem wortkargen Schauspiel, seit Sie wieder einigermaßen ansprechbar sind.
Wird Ihnen das nicht auch langsam lästig?«
    Thomas konnte die
Diskrepanz zwischen dem nüchternen, fast freundlichen Tonfall und der
Überheblichkeit der Worte nicht einordnen.
    »Okay, ich versuche
mich zu konzentrieren.« Er sah den Kommissar kurz an, aber die in dieser
Ankündigung versteckte Ausrede beeindruckte ihn offensichtlich nicht. »Also,
wie ich bereits sagte, hatte ich Besuch. Eine alte Schulfreundin aus Ulm:
Marion Schroeder oder Spiegelrodt, wie sie heute heißt. Sie wollte mich mal
wieder besuchen, nachdem wir uns lange aus den Augen verloren hatten. Wir
wollten das freie Wochenende nutzen, ich meine, wo die Kinder mal weg sind,
wollten wir in Ruhe …« Thomas konnte Buhle unmöglich sagen, dass er mit dem
Treffen von vornherein nicht nur die Absicht verbunden hatte, in gemeinsamen
Erinnerungen zu schwelgen. »… in Ruhe alte Zeiten aufwärmen.«
    »Wie lange kennen
Sie Frau Spiegelrodt?«
    »Ich kenne Marion
seit der achten Klasse. Sie war genau wie ich neu im Internat und hatte keine
Freunde. Ich selbst stand als Adelssprössling bei meinen Altersgenossen nicht
so hoch im Kurs. Und sie, nun, auch sie hatte Anpassungsschwierigkeiten. Wir
wurden von den anderen entweder geschnitten oder offen angefeindet. Um uns
behaupten zu können, taten wir uns zu einer Art Zweckgemeinschaft zusammen: Ich
übernahm die Organisation, sie die Durchführung. Das war zwar nicht immer das
perfekte Rollenverhältnis, aber dafür sehr effektiv. Es dauerte nicht lange,
bis wir die etablierten Grüppchen aufgemischt hatten und Marion das einzige
Mädchen im Jahrgang war, das von den Jungs respektiert wurde.«
    Auf Buhles Stirn war
erstmals eine Bewegung zu erkennen, seit er sich der Statik des Türrahmens
angepasst hatte. Nur für den Hauch eines Augenblicks hoben sich die Augenbrauen
ein kleines Stück, aber doch deutlich wahrnehmbar. »Sie sind ein Sohn des Unternehmers
Philipp von Steyn?«
    Thomas nickte. »Ja.
Ich habe ziemlich bald nach meiner Volljährigkeit das ›von‹ abgelegt. Mein
Vater hat mir das bis heute nicht verziehen. Im Nachhinein war es wohl auch
übertrieben, aber damals wollte ich mit meiner Familie nichts zu tun haben.
Unserer adligen Vergangenheit hatte ich es schließlich zu verdanken, dass ich
auf dieses Internat abgeschoben wurde. Meinte ich zumindest.«
    »Auf welchem
Internat waren Sie?«
    »Auf einem Internat
im Odenwald.« Thomas schaute den Kommissar bei seiner Antwort an. Wie erwartet
zeichneten sich Spuren erhöhter Aufmerksamkeit in das Gesicht seines
Gegenübers.
    Buhle beließ es aber
wieder bei einem leichten Stirnrunzeln und dem Heben einer Augenbraue. »Wie
ging es weiter mit Ihnen und Frau Spiegelrodt?«
    »Wir machten bis zur
Oberstufe praktisch alles zusammen. In der Schulzeit sowieso, später manchmal
auch in den Ferien. Wir waren eine regelrechte Symbiose. Dann verliebte Marion
sich in einen Studenten und hatte plötzlich andere Interessen und Freunde.«
    Buhles
Aufmerksamkeit schien wieder zu sinken, was Thomas irritierte. Aber er war
froh, endlich reden zu können, zumal bislang keine verfänglichen Fragen kamen.
    Hinter den Kommissar
war kurz ein Kollege getreten, der Buhle leise etwas mitteilte. Buhle nahm es
ohne sichtliche Regung zur Kenntnis. »Aha, Herr Steyn, und …?«
    »Wie, und?«
    »Herr Steyn, Sie
haben in der Schilderung Ihrer Beziehung zu dieser Marion Spiegelrodt oder
Schroeder vor etwa zwei Jahrzehnten aufgehört. Sie sehen mich höchst gespannt,
wie es weiterging.«
    Thomas hatte den
Faden verloren. Hatte er schon den gemeinsamen Atlantikurlaub erwähnt?
Vielleicht sollte er ihn ohnehin übergehen.
    »Nach dem Abi ging
Marion nach Berlin, wohnte zuerst bei einer Cousine. Wir verloren uns schnell
aus den Augen. Sie war mehrmals umgezogen, und
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