Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
Vom Netzwerk:
tiefen
Zug von ihrer Zigarette und schnippte die Asche auf den Fußboden. »Wissen Sie,
normalerweise ist hier spätestens ab zwanzig Uhr Feierabend, aber sie hatte nun
mal eine Ausnahmegenehmigung. Und sie wollte absolut nicht gestört werden.
Niemals. Ihre Arbeit war ihr heilig. Niemand sollte sie beim Kunstschaffen
beobachten.«
    Während Ulrike Kinzig sprach, machte Ferschweiler sich in seinem
kleinen Heft Notizen. Ihm war die Abneigung gegenüber der Toten in der Stimme
der Putzfrau nicht entgangen.
    »Sie mochten Melanie Rosskämper wohl nicht besonders?«, fragte er.
    »Ach, die war eine von der Sorte, die meinen, dass sie etwas Besseres
sind und dass man eine Putzfrau von oben herab behandeln kann. Ich kann das
einfach nicht leiden. Verstehen Sie das, Herr Kommissar?«
    »Ja«, antwortete Ferschweiler, dem ein solches Verhalten aus eigener
Erfahrung nicht fremd war. »Aber schließlich sind Sie in Atelier C gegangen?«,
ermunterte er Ulrike Kinzig fortzufahren.
    »Ich hatte Licht durch das Oberlicht der Tür gesehen und mir gedacht,
dass Frau Rosskämper wohl wieder länger arbeitet. Aber irgendwann muss ich ja
meinen Job machen, deshalb war es mir egal, dass ich sie stören musste. Als ich
das Atelier betreten habe, hatte ich gleich das Gefühl, dass irgendetwas nicht
stimmt. Die Rosskämper hatte einen alten Kassettenrekorder, mit dem sie bei der
Arbeit immer so abscheuliche Volksmusik gehört hat.« Bei diesen Worten durchfuhr
Ulrike Kinzigs Körper ein Schütteln. »Sie hat immer alle mit dieser
nervtötenden Lärmmaschine tyrannisiert und an den Rand des Wahnsinns getrieben.
Der Rekorder war heute Abend aber still, die Kassette war mittlerweile zu
Ende.«
    »Sind Sie sich sicher mit der Musik?«, fragte Ferschweiler.
    »Ja, natürlich«, entgegnete Ulrike Kinzig. »Das ist mir schon vorher
aufgefallen. Ich habe das Atelier immer erst betreten, wenn dieses grauenhafte
Gedudel verstummt war. Das konnte manchmal sehr lange dauern. Die Überstunden,
die dadurch anfielen, dass ich immer warten musste, bis die Rosskämper fertig
war, hat mir Frau Berggrün zum Glück gern bezahlt. Heute aber habe ich gedacht,
Frau Rosskämper sei bereits nach Hause gegangen, also habe ich, nachdem ich
alles andere erledigt hatte, das Atelier betreten – und dann habe ich sie
gesehen. Es war schrecklich, wie sie dalag. Es wirkte so unnatürlich, so
verkrampft!«
    Ulrike Kinzig fing bei diesen letzten Worten wieder zu weinen an.
Unter Tränen fuhr sie fort: »Ich bin dann erst mal raus an die frische Luft.
Ich habe Ihre Kollegen angerufen und musste erst mal eine rauchen. Eine Leiche
findet man ja nicht alle Tage.« Immer noch schluchzend sah sie Ferschweiler
kurz an, senkte aber sofort wieder den Blick. Ihre Hände zitterten, als sie die
Zigarette an den Mund führte und inhalierte.
    »Ist Ihnen darüber hinaus irgendetwas aufgefallen?«, hakte Ferschweiler
nach.
    »Ja, sie war nackt, bis auf diesen komischen Kimono, den sie
anhatte. Den hatte ich noch nie an ihr gesehen.«
    »Wie gut kannten Sie Frau Rosskämper?«, fragte Ferschweiler.
    »Na ja, sie war erst seit ein paar Monaten an der Akademie, aber wissen
Sie, Herr Ferschweiler, sie kam, sah und siegte. Ja, so kann man das sagen.«
    Das wollte Ferschweiler näher wissen. »Wie meinen Sie das, Frau
Kinzig?«
    Ulrike Kinzig zog, bevor sie antwortete, erneut an ihrer Zigarette,
von der mittlerweile nur noch ein winziger Stummel übrig war.
    »Die meinen doch alle, dass ich nur die dumme Putzfee bin, aber da
täuschen die sich. In meiner Position bekommt man so einiges mit, glauben Sie
mir. Es gibt viele Teilnehmer, die mir ihr Herz ausschütten, wenn ich abends
durch die Klassen gehe. Und ich kann Ihnen sagen, dass es hier viele gibt, die
die Rosskämper gehasst haben. Die kam an die Akademie und konnte gerade mal
einen Bleistift halten. Aber sie wurde von Anfang an von allen männlichen Dozenten
hofiert und in den Himmel gelobt. Sogar die Leiterin, Dr.   Berggrün, hat ihr
lauter Sonderrechte gewährt, die sie sonst keinem anderen Teilnehmer, auch
nicht den Dozenten, zugestanden hätte.«
    »Und was glauben Sie, woran das lag?«, fragte Ferschweiler, den diese
Bevorteilung ebenfalls interessierte.
    »Ihr Mann ist der Vorsitzende des Fördervereins, hat viel Einfluss
in der Stadt und gute Beziehungen zur Landesregierung. Vitamin B ist halt auch
in Trier alles, Herr Kommissar.« Dabei zwinkerte sie Ferschweiler zu, dann
schaute sie nervös auf ihre mit Strasssteinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher