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Die schoene Frau Seidenman

Die schoene Frau Seidenman

Titel: Die schoene Frau Seidenman
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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Angst, sie könnte nie wieder erwachen, schlief sie abrupt ein. Sie träumte von Stuckler, der hinter Dr. Ignacy Seidenmans Sarg herging. An der Beerdigung nahmen viele Menschen teil. Sie erkannte die Gesichter nicht, suchte sich selbst bei der Beerdigung, war aber nirgendwo. Sie suchte immer fieberhafter, entsetzt darüber, daß sie am letzten Weg ihres eigenen Mannes, den sie doch so geliebt hatte, nicht teilnahm. Schließlich fand sie Irma. Stuckler hatte sie untergehakt. Sie sagte zu Stuckler: ›Ich heiße Gostomska, Maria Magdalena Gostomska, Witwe eines Offiziers der polnischen Armee!‹ Stuckler antwortete: ›Ich weiß doch, dies ist die Beerdigung Ihres Mannes. Glauben Sie, ich wäre zu einem jüdischen Begräbnis gekommen?!‹ Und doch war es Dr. Ignacy Seidenmans Beerdigung. Später befand sie sich wieder in dem Käfig, und Stuckler rief: ›Sie haben mich betrogen. Dieses Zigarettenetui erklärt alles. Bitte zeigen Sie mir Ihre rechte Ohrmuschel!‹ Sie hatte kein Ohr. An der Stelle des Ohrs befand sich eine blutende Wunde.
    Als sie schließlich erwachte, war es Mittag. Sie blieb lange liegen und schaute zur Zimmerdecke hinauf. Wieder hatte dieser Traum sie verfolgt. Werde ich mich nie davon frei machen? dachte sie. Werde ich nie Ruhe finden?

21
    D er Richter Romnicki lächelte und sagte: »Welch angenehme Kühle hier.«
      Schwester Weronika antwortete, auf der Seite zum Gemüsegarten hin werde es manchmal heiß, doch die aus alter Zeit stammenden Klostermauern seien dick und das bewirke, daß innen gewöhnlich Kühle herrsche.
      »Ich habe dieses Kind gebracht«, sagte der Richter und strich Joasia leicht über das dunkle Köpfchen, »wie es verabredet war.«
      »Ich verstehe, Herr Richter«, sagte die Schwester und betrachtete das Mädchen. »Sie ist ein bißchen zu dunkel«, fügte sie nach einer Weile hinzu.
    »Das kann man sich heutzutage nicht aussuchen, Schwester.«
      »Ich will die Sache nicht auf Spitz und Knopf stellen, aber Sie verstehen, Herr Richter.«
      »Der Mensch versteht heutzutage mehr als gut tut«, sagte der Richter sentenziös und streichelte wieder Joasias Haar. »Ein bezauberndes kleines Mädchen.«
    »Man muß immer hoffen, Herr Richter.«
      »Wie festgelegt wurde, hat die Frau Oberin bereits bestimmte Mittel erhalten«, sagte der Richter. »Der Krieg wird nicht ewig dauern. Außerdem stehe ich im Bedarfsfalle immer zur Verfügung.«
    »Darum geht es nicht«, entgegnete die Schwester. »Wir kennen unsere Pflichten.« Jetzt strich sie dem Kind über das Haar. »Sie heißt also Joasia«, fuhr sie fort. »Noch heute bringen wir ihr ein Gebet bei.«
    »Das kann nützlich sein«, sagte der Richter.
    Schwester Weronika blickte aufmerksam zu ihm hoch.
      »Es wird ein katholisches Kind werden, Herr Richter. Sie haben nicht nur ihren Körper hergebracht, dem schreckliche Leiden drohen könnten, sondern auch ihre verirrte Seele.«
      »Meinen Sie, Schwester, sie hätte Zeit gehabt, sich zu verirren? Sie ist doch erst vier Jahre alt. Wer verirrt sich da?«
      »Es ist wohl verständlich, daß wir sie katholisch erziehen. Das ist unsere Pflicht dem Kind gegenüber. Sie sind Katholik, Herr Richter, ich muß nicht nachweisen…«
      »Nun ja«, sagt der Richter und wollte schon das Gespräch beenden, empfand aber plötzlich eine doppelte Schwierigkeit. Er mußte sich von dem lieben, schweigenden Kind trennen. Und ihn bedrückte etwas Wichtiges, eine Unruhe, Bitterkeit oder gar Enttäuschung. Deshalb sagte er: »Tun Sie, Schwester, was Sie für angemessen halten. Aber daraus wird nichts.«
    »Woraus wird nichts?«
      »Aus diesem Katholizismus, Schwester«, sagte der Richter und wunderte sich selbst, daß eine gewisse Bosheit, ja vielleicht gar Rachsucht in seiner Stimme mitschwang.
      »Was Sie nicht alles erzählen, Herr Richter?!« sprach Schwester Weronika streng.
      »Ich will Ihnen etwas sagen, Schwester! Überlegen Sie einen Augenblick selbst. Gibt es verschiedene Götter? Oder ist es der einzige und unaussprechliche Gott, der uns aus Ägyptenland geführt hat, aus dem Hause der Knechtschaft?! Derselbe, Schwester, unser gnädiger Gott, der sich Mose im brennenden Busch offenbart, der Jakob gerufen, der Abrahams Messer über Isaaks Nacken aufgehalten hat. Das ist unser Gott, der Schöpfer aller Menschen…«
    »Herr Richter, erwähnen Sie den Erlöser!« rief die Schwester.
    »Ich will Ihnen etwas sagen, Schwester, ich sage Ihnen etwas!
    Ich bin Katholik,
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