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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
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Das schreckliche Foto auf dem Holztisch war verschwunden. Dort lag nur ein kleiner Zettel. Eine Nachricht von Mathias: »Juliette glaubt herausgefunden zu haben, wo sie sich versteckt hält. Ich fahre mit ihr nach Dourdan. Ich habe Angst, daß sie ihr hilft abzuhauen. Ich rufe bei Alexandra an, wenn es was Neues gibt. Steinzeitliche Grüße, Mathias.«
    Marc ließ jäh den Wasserkessel los.
    »Was für ein Idiot!« murmelte er. »Was für ein Idiot!«
    In großen Sprüngen hastete er in den dritten Stock hinauf.
    »Zieh dich an, Lucien!« rief er und schüttelte ihn.
    Lucien öffnete die Augen und wollte etwas sagen.
    »Nein, keine Fragen, kein Kommentar. Ich brauche dich. Mach schnell!«
    Genauso schnell rannte er in den vierten Stock, wo er Vandoosler schüttelte.
    »Sie haut ab!« rief Marc außer Atem. »Schnell, Juliette und Mathias sind weggefahren! Dieser Blödmann weiß nicht, in welcher Gefahr er steckt. Ich fahre mit Lucien. Hol du Leguennec aus dem Bett. Komm mit seinen Leuten nach Dourdan, Allee des Grands Ifs Nummer 12.«
    Marc stürmte hinaus. Er hatte verkrampfte Beinmuskeln, weil er heute soviel gelaufen war. Lucien tappte schlaftrunken die Treppe hinunter, zog seine Schuhe an und hielt seine Krawatte in der Hand.
    »Wir treffen uns bei Relivaux«, rief Marc ihm im Vorbeilaufen zu.
    Er stürzte die Treppe hinunter, rannte durch den Garten und fing vor Relivaux’ Haus an zu brüllen.
    Mißtrauisch erschien Relivaux am Fenster. Er war erst seit kurzem wieder zurück, und die Entdeckung der Inschrift auf dem schwarzen Auto hatte ihn ziemlich fertiggemacht, wie es hieß.
    »Geben Sie mir Ihre Autoschlüssel!« schrie Marc. »Es geht um Leben und Tod!«
    Relivaux dachte nicht lange nach. Ein paar Sekunden später fing Marc die Schlüssel im Flug auf der anderen Seite des Tores auf.
    Man konnte über Relivaux denken, was man wollte, aber er war ein verdammt guter Werfer.
    »Danke!« brüllte Marc.
    Er ließ den Motor an, fuhr los und öffnete die Tür, um Lucien im Vorbeifahren aufzulesen. Lucien band seine Krawatte um, legte eine flache kleine Flasche auf seinen Schoß, schob den Sitz nach hinten und machte es sich bequem.
    »Was ist das für eine Flasche?« fragte Marc.
    »Rum zum Backen. Für alle Fälle.«
    »Wo hast du den her?«
    »Der gehört mir. Ich hab ihn gekauft, um Kuchen zu backen.«
    Marc zuckte mit den Schultern. Typisch Lucien.
    Er biß die Zähne zusammen und fuhr schnell. Paris, Mitternacht, sogar sehr schnell. Es war Freitag nacht, es herrschte viel Verkehr, und Marc gab hektisch Gas, überholte, fuhr über rote Ampeln. Erst als sie Paris verlassen hatten und auf die leere Nationalstraße gekommen waren, fühlte er sich in der Lage zu reden.
    »Für wen hält sich Mathias?« rief er. »Glaubt er, daß er es mit einer Frau aufnehmen kann, die schon haufenweise Leute abgemurkst hat? Das ist ihm wohl nicht klar. Das hier ist ein größeres Kaliber als ein Auerochse!«
    Lucien antwortete nicht, und Marc warf ihm einen kurzen Blick zu. Der Idiot schlief – tief und fest.
    »Lucien!« rief Marc. »Auf!«
    Nichts zu machen. Wenn dieser Mensch einmal beschlossen hatte zu schlafen, konnte man ihn nicht ohne seine Zustimmung davon abbringen. Genau wie beim Thema WK I. Marc fuhr noch schneller.
    Halbzwei bremste er vor der Allee des Grands Ifs 12. Das große Holztor von Sophias Haus war verschlossen. Marc zog Lucien aus dem Auto und richtete ihn auf.
    »Auf!« wiederholte Marc.
    »Schrei doch nicht so«, erwiderte Lucien. »Ich bin wach. Ich bin immer wach, wenn ich weiß, daß ich unentbehrlich werde.«
    »Beeil dich«, rief Marc. »Hilf mir über das Tor wie neulich.«
    »Zieh deine Latschen aus.«
    »Sonst noch was? Vielleicht kommen wir schon zu spät! Verschränk die Hände, Schuhe hin, Schuhe her!«
    Marc stützte sich mit einem Fuß auf Luciens Hände und zog sich auf die Mauer hinauf. Es war nicht ganz einfach, hinüberzuklettern.
    »Jetzt du«, sagte Marc und streckte Lucien den Arm hin. »Hol die kleine Mülltonne, kletter drauf und nimm meine Hand.«
    Lucien kam hoch und saß rittlings neben Marc auf der Mauer. Der Himmel war bewölkt, es war vollkommen dunkel.
    Lucien sprang hinunter, Marc hinter ihm.
    Als er auf der anderen Seite gelandet war, versuchte Marc sich in der Dunkelheit zu orientieren. Er dachte an den Brunnen. Daran dachte er schon eine ganze Weile.
    Der Brunnen. Wasser. Mathias. Der Brunnen, Hochburg der ländlichen Kriminalität im Mittelalter. Wo war dieser verdammte
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