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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
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rann über seine Hand.
    Er hob seinen Blick. Sie fixierte ihn noch immer. Von ihrem ganzen zusammengebrochenen Werk blieb ihr nur noch dieser starre Körper und der bittere Widerstand ihres Blicks.
    Betäubt setzte sich Marc ins Gras. Nein, er wollte sie nicht mehr ansehen. Er bereute es sogar, sie so oft gesehen zu haben.
    Leguennec richtete Mathias auf. Er setzte ihn hin.
    »Marc...«, sagte Mathias.
    Diese tonlose Stimme rüttelte Marc auf. Wenn Mathias mehr Kraft gehabt hätte, hätte er gesagt: »Rede, Marc.« Ganz sicher hätte der Jäger und Sammler das gesagt. Marc klapperte mit den Zähnen, und seine Worte kamen in abgehackten Stücken.
    »Dompierre«, sagte er. »Dompierre hieß Christophe.«
    Mit gesenktem Kopf und gekreuzten Beinen saß er auf dem Boden und riß das Gras um sich herum büschelweise aus. Genau wie neben der Buche. Er riß es aus und warf es von sich.
    »Er hat Sofia mit einem f geschrieben, nicht mit p und h«, fuhr er stoßartig fort. »Aber ein Typ, der Christophe heißt, o, p, h, e, irrt sich nicht bei der Schreibweise von Sophia, nein, denn das sind dieselben Silben, dieselben Vokale, dieselben Konsonanten, und selbst wenn du gerade verreckst, weißt du, wenn du Christophe heißt, daß man Sophia nicht mit einem f schreibt, das weißt du, und darin hätte er sich nie getäuscht, genausowenig wie er seinen eigenen Vornamen mit einem f geschrieben hätte, nein, er hat nicht Sofia geschrieben, er hat nicht Sofia geschrieben...«
    Marc erschauerte. Er spürte, wie der Pate ihm seine Jacke und dann sein durchnäßtes Hemd auszog. Er hatte nicht die Kraft, ihm dabei zu helfen. Er riß mit seiner linken Hand weiter Gras aus. Jetzt wurde er in eine rauhe Decke gewickelt, eine Decke aus dem Wagen der Bullen. Mathias hatte dieselbe. Sie kratzte. Aber war warm. Er entspannte sich ein bißchen, mummelte sich hinein, und sein Unterkiefer zitterte etwas weniger. Instinktiv hielt er den Blick auf das Gras gerichtet, um das Risiko nicht eingehen zu müssen, sie zu sehen.
    »Weiter«, sagte die dumpfe Stimme von Mathias.
    Allmählich kam er wieder zu sich. Er konnte besser reden, ruhiger, und gleichzeitig denken, die Dinge rekonstruieren. Er konnte reden, aber diesen Vornamen nicht mehr aussprechen.
    »Ich habe kapiert, daß Christophe nie Sofia Simeonidis geschrieben hätte...«, sagte er zu den Grasbüscheln. »Was also dann, zum Teufel? Das a von Sofia war ziemlich undeutlich, der Bogen des f war nicht geschlossen, es erinnerte an ein großes S, und in Wirklichkeit hatte er geschrieben Sosie Simeonidis: Sosie, die Doppelgängerin, das Double, die Zweitbesetzung... Ja, er wollte auf die Zweitbesetzung von Sophia Simeonidis hinweisen... Sein Vater hatte in seinem Artikel etwas Merkwürdiges geschrieben... so was in der Art wie ›Sophia Simeonidis mußte drei Tage lang durch ihre Zweitbesetzung Nathalie Domesco vertreten werden, deren abscheuliche Nachahmung Elektra schließlich den Rest gab...‹ Nachahmung... Ein komisches Wort, ein komischer Ausdruck, so als ob die Zweitbesetzung sie nicht nur vertreten, sondern auch imitiert hätte, als ob sie Sophia nachgemacht hätte, mit schwarzgefärbtem, kurzgeschnittenem Haar, roten Lippen und dem Schal um den Hals, ja, so hat sie das gemacht... und ›Sosie‹ war der Spitzname, den Dompierre und Frémonville der Zweitbesetzung gegeben haben, ganz sicher, um sie lächerlich zu machen, weil sie viel zu dick aufgetragen hat... und Christophe wußte das, er kannte den Spitznamen und hat es kapiert, aber es war zu spät, und als ich es kapiert habe, war es fast zu spät...«
    Marc wandte den Blick zu Mathias, der zwischen Leguennec und einem anderen Polizisten auf dem Boden saß. Er sah auch Lucien, der sich hinter den Jäger und Sammler gestellt hatte, ganz dicht hinter ihn, wie um ihm eine Rückenlehne zu bieten, Lucien mit seiner zerfetzten Krawatte, seinem vom Brunnenrand versauten Hemd, seinem Kindergesicht, mit offenem Mund und gerunzelter Stirn. Eine dichtgedrängte Gruppe von vier schweigenden Männern, deren Konturen sich im Lichtkegel von Leguennecs Lampe klar in der Nacht abzeichneten. Mathias schien benommen, aber er hörte zu. Marc mußte reden.
    »Wird er’s packen?« fragte er.
    »Ja«, antwortete Leguennec. »Er fängt an, die Füße in seinen Sandalen zu bewegen.«
    »Dann packt er’s. Mathias, warst du heute vormittag bei ihr?«
    »Ja«, sagte Mathias.
    »Hast du mit ihr gesprochen?«, fragte Marc.
    »Ja. Ich habe die Wärme auf der Straße
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