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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
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eifersüchtig auf Sophia... Also hat sie dem Glück nachgeholfen, sie hat ihren unglückseligen Bruder dazu gebracht, Sophia zu verprügeln, damit sie ihre Stelle einnehmen könnte... ein sehr simpler Plan...«
    »Und die versuchte Vergewaltigung?« fragte Leguennec.
    »Wie? Die versuchte Vergewaltigung? Aber... das geschah ebenfalls auf Anordnung seiner Schwester, damit der Überfall glaubwürdiger wäre... die versuchte Vergewaltigung war Quatsch...«
    Marc schwieg, ging zu Mathias, sah ihn sich gründlich an, nickte und begann wieder, mit seltsamen großen Schritten und hängendem Arm auf und ab zu gehen. Er fragte sich, ob Mathias die Decke der Bullen wohl ebenfalls kratzig fand. Sicher nicht. Mathias gehörte nicht zu denen, die unter kratzendem Stoff leiden. Er fragte sich, wieso er so reden konnte, wo ihm doch sein Kopf so weh tat, wo ihm doch so schwer ums Herz war, wieso er das alles wissen und es sagen konnte... Wieso? Er hatte es nicht hinnehmen können, daß Sophia gemordet haben sollte, nein, das war ein falsches Ergebnis, dessen war er sich sicher gewesen, ein unmögliches Ergebnis... die Quellen mußten noch einmal gelesen, alles mußte neu aufgerollt werden... es konnte nicht Sophia sein... es gab jemand anderen... eine andere Geschichte... Die Geschichte hatte er sich vorhin Stück für Stück erzählt... dann wieder Stück für Stück... die Route des Wals, sein Instinkt... seine Sehnsüchte... an der Fontaine Saint-Michel... seine Routen... seine Fanggründe... am Löwen von Denfert-Rochereau, der nachts von seinem Sockel steigt... der nachts umherspaziert, der seine Löwensachen macht, ohne daß irgend jemand es weiß, dieser Bronzelöwe, so wie sie, die sich morgens wieder auf ihrem Piedestal ausstreckt, die zurückkommt und die Statue spielt, ganz starr, beruhigend, über jeden Verdacht erhaben, morgens auf ihrem Sockel, morgens im Tonneau, an der Theke, sich selbst immer treu... liebenswürdig... die aber niemanden liebt, nicht einmal sich selbst, kein Grummeln im Bauch, keine Gefühle, nicht einmal für Mathias, nichts... aber nachts ist das ganz was anderes, ja, nachts... er kannte ihre Route, er konnte sie erzählen, er hatte sie sich bereits vollständig erzählt, und jetzt hatte er sie, klammerte sich dran wie Ahab an den Rücken seines dreckigen Pottwals, der ihm das Bein weggefressen hatte...
    »Ich würde mir gern seinen Arm ansehen«, flüsterte Leguennec.
    »Laß ihn, mein Gott«, erwiderte Vandoosler.
    »Sie hat drei Abende gesungen, nachdem ihr Bruder Sophia ins Krankenhaus befördert hatte...«, sagte Marc. »Aber die Kritiker haben sie ignoriert, schlimmer noch, zwei von ihnen haben sie gründlich und definitiv niedergemacht, Dompierre und Frémonville Und Sophia hat sich eine andere Zweitbesetzung gesucht... Für Nathalie Domesco war damit Schluß... Sie mußte die Bühne verlassen, aufhören zu singen, und der Irrsinn und der Stolz und ich weiß nicht welcher Dreck noch sind geblieben. Sie lebte jetzt nur noch für das Ziel, diejenigen zu vernichten, die sie niedergemacht hatten... so intelligent, wie sie war, so musikalisch, verrückt, schön, dämonisch... schön auf ihrem Sockel... wie eine Statue... undurchdringlich...«
    »Zeigen Sie mir den Arm«, sagte Leguennec.
    Marc schüttelte den Kopf.
    »Sie hat ein Jahr gewartet, bis keiner mehr an Elektra dachte, und hat die beiden Kritiker, die sie zerstört hatten, Monate später kaltblütig abgeknallt... Mit Sophia hat sie weitere vierzehn Jahre gewartet. Viel Zeit mußte vergehen, damit wirklich niemand mehr an die Ermordung der beiden Kritiker denken würde, damit keinerlei Verbindung mehr hergestellt werden könnte... sie hat gewartet, vielleicht sogar mit Vergnügen... ich habe keine Ahnung... Aber sie ist ihr gefolgt, hat sie von dem Haus aus beobachtet, das sie ein paar Jahre später in ihrer Nachbarschaft gekauft hat... vielleicht hat sie sogar eine Möglichkeit gefunden, den Besitzer ein bißchen zu drängen, es ihr zu verkaufen, ja, gut möglich... sie verließ sich nicht auf den Zufall. Sie hat wieder ihre natürliche helle Haarfarbe angenommen, die Frisur gewechselt, Jahre waren vergangen und Sophia hat sie nicht wiedererkannt, genausowenig wie sie Georges wiedererkannt hat... Es bestand keine Gefahr, die Sängerinnen kennen ihre Zweitbesetzungen ja kaum... Von den Statisten ganz zu schweigen...«
    Leguennec hatte sich ohne zu fragen Marcs Arm genommen und tupfte Desinfektionsmittel oder etwas Ähnliches darauf, das
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