Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
brüllte Marc, ohne die Augen vom Gras abzuwenden. Dann kam er wieder zu Atem. In Reichweite seiner linken Hand gab es nicht mehr viel Gras. Er wechselte die Position. Einen neuen Haufen aufwerfen.
    »Als Sophia dann verschwunden war«, fuhr er mit einer eigenartigen Stimme fort, »fing man an, sich Sorgen zu machen, sie als erste, wie eine treue Freundin. Es war unvermeidlich, daß die Bullen unter dem Baum graben würden, und sie haben es gemacht, und sie haben nichts gefunden, und sie haben das Loch wieder zugeschüttet... Und schließlich glaubten alle, daß Sophia mit ihrem Stelyos abgehauen wäre. Da... da war der Platz dann bereit... Jetzt konnte sie Sophia dort begraben, wo niemand, nicht einmal die Bullen, sie jemals mehr suchen würde, weil dort ja schon gesucht worden war! Unter dem Baum... Und außerdem würde sowieso niemand Sophia suchen, man glaubte ja, sie habe sich auf einer Insel versteckt. Ihre Leiche war von einer unberührbaren Buche versiegelt und würde nie auftauchen... Aber sie mußte sie dort erst noch in aller Ruhe begraben können, ohne gestört zu werden, ohne Nachbarn, ohne uns...«
    Marc hielt erneut inne. Es war so kompliziert zu erklären. Er hatte den Eindruck, daß es ihm schwerfiel, die Dinge in der richtigen Reihenfolge zu sagen. Die richtige Reihenfolge würde später drankommen.
    »Sie hat uns alle in die Normandie eingeladen. Nachts hat sie das Auto genommen, ihr gefrorenes Paket eingepackt und ist in die Rue Chasle zurückgefahren. Relivaux war nicht da, und wir haben wie die Idioten friedlich bei ihr geschlafen, hundert Kilometer entfernt! Sie hat ihre widerliche Arbeit gemacht und sie unter der Buche begraben. Sie ist stark. Am frühen Morgen ist sie leise, ganz leise zurückgekommen...«
    Gut. Er hatte den schwersten Augenblick hinter sich. Der Augenblick, in dem Sophia unter dem Baum begraben wurde. Er brauchte jetzt nicht mehr überall Gras auszureißen. Es würde jetzt aufhören. Und außerdem war es auch noch Sophias Gras.
    Er stand auf und ging mit gemessenen Schritten auf und ab, während er mit dem linken Arm seine Decke an sich preßte. Lucien fand, er sah aus wie ein südamerikanischer Indio, einfach so, mit seinem dichten schwarzen Haar, das vom Wasser verklebt war, eingewickelt in seine Decke. Er ging hin und her, ohne sich ihr zu nähern und ohne sie beim Umdrehen anzusehen.
    »Es wird ihr nicht gefallen haben, als sie dann gesehen hat, wie die Nichte mit dem Kleinen auftauchte, das hatte sie nicht vorausgesehen. Alexandra war mit Sophia verabredet und nahm das Verschwinden ihrer Tante nicht hin. Alexandra war halsstarrig, die Ermittlungen begannen, Sophia wurde erneut gesucht. Unmöglich und viel zu riskant, sich noch einmal an der Leiche unter dem Baum zu schaffen zu machen. Es mußte eine Leiche her, um die Suche zu beenden, bevor die Bullen in der ganzen Umgebung schnüffelten. Sie hat die arme Louise an der Gare d’ Austerlitz gesucht, hat sie nach Maisons-Alfort geschleppt und verbrannt!«
    Marc hatte wieder zu brüllen begonnen. Er strengte sich an, langsam zu atmen, aus dem Bauch, und fuhr dann fort.
    »Natürlich hatte sie noch das Gepäck, das Sophia bei sich trug. Sie hat Louise die Goldringe angesteckt, hat die Handtasche danebengelegt und alles angezündet... Ein großes Feuer! Kein möglicher Hinweis auf Louises Identität durfte das Feuer überstehen, und es durfte auch nichts auf den Zeitpunkt des Todes hindeuten... Ein Flammenmeer... die Feuersglut, die Hölle... Aber der Basalt, das wußte sie, würde das Feuer überstehen. Und der Basalt würde auf jeden Fall auf Sophia verweisen... der Basalt würde reden...«
    Plötzlich begann Juliette zu schreien. Marc blieb stehen und hielt sich die Ohren zu, das linke mit seiner Hand, das rechte mit der Schulter. Er hörte nur Fetzen... Basalt, Sophia, Dreck, verrecken, Elektra, verrecken, singen, niemand, Elektra...
    »Bringt sie zum Schweigen!« brüllte Marc. »Bringt sie zum Schweigen, bringt sie weg, ich kann sie nicht mehr hören!«
    Ein Geräusch, ein erneutes Spucken, dann die Schritte der Bullen, die sich auf ein Zeichen von Leguennec mit ihr entfernten. Als Marc begriff, daß Juliette nicht mehr da war, ließ er seine Arme wieder fallen. Jetzt konnte er wieder alles ansehen, seinen Blick freimachen. Sie war nicht mehr da.
    »Ja, sie war Sängerin«, sagte er. »Aber im Hintergrund, als fünftes Rad, und das hat sie nicht hinnehmen können, sie mußte auch ihre Chance haben! Tödlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher