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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
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fragte Lucien. »Warum haben Sie Leguennec aufgefordert, ihn in Gewahrsam zu nehmen, wenn Sie überzeugt waren, daß er unschuldig ist?«
    »Aus demselben Grund. Die Handlung sich entwickeln lassen, die Ereignisse aufeinander folgen, sich überstürzen lassen. Und sehen, wie der Mörder sich verhält. Man muß Mördern freie Hand lassen, damit sie einen Fehler begehen können. Du hast vielleicht gemerkt, daß ich Gosselin mit Juliettes Hilfe habe fliehen lassen. Ich wollte nicht, daß man ihm wegen dieser alten Überfallgeschichte Ärger macht.«
    »Das war er ?«
    »Ganz sicher. Das hat man Juliettes Augen angesehen. Aber für die Morde ist er nicht verantwortlich. Ach, übrigens, heiliger Matthäus, du kannst Juliette sagen, daß sie ihren Bruder benachrichtigen kann.«
    »Glauben Sie, daß sie weiß, wo er ist?«
    »Natürlich weiß sie es. Sicher an der Côte d’Azur. Nizza, Toulon, Marseille, irgendwo in der Gegend. Bereit, beim ersten Zeichen mit falschen Papieren auf die andere Seite des Mittelmeers zu verschwinden. Du kannst ihr auch das mit Sophia Simeonidis sagen. Aber alle müssen aufpassen. Sie lebt noch und ist irgendwo. Wo? Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
    Mathias löste seinen Blick von dem dunklen Foto, das auf dem blanken Holztisch lag, und ging leise.
    Marc war benommen und fühlte sich schwach. Sophia tot. Sophia lebendig.
    »›Auf, ihr Toten!‹« murmelte Lucien.
    »Dann hat Sophia die beiden Kritiker umgebracht?« fragte Marc langsam. »Weil sie nicht von ihr abließen und dabei waren, ihr die Karriere zu zerstören? Aber sowas ist doch nicht möglich!«
    »Bei Sängerinnen ist alles möglich«, bemerkte Lucien.
    »Sie soll also alle beide umgebracht haben... Und später sollte das jemand herausgefunden... und sie wäre lieber verschwunden als vor Gericht gezerrt zu werden?«
    »Nicht unbedingt jemand«, sagte Vandoosler. »Es kann auch der Baum gewesen sein. Sie war eine Mörderin, gleichzeitig aber abergläubisch und ängstlich und lebte vielleicht in der Zwangsvorstellung, daß ihre Tat eines Tages entdeckt würde. Als der Baum auf mysteriöse Weise in ihrem Garten auftauchte, hat das vielleicht ausgereicht, sie in Panik zu versetzen. Sie wird darin eine Drohung, den Beginn einer Erpressung gesehen haben. Sie hat euch darunter graben lassen. Aber der Baum hat nichts und niemanden verborgen. Er war nur da, um ihr etwas zu sagen. Vielleicht hat sie einen Brief bekommen? Wir werden es nie erfahren. Jedenfalls hat sie beschlossen zu verschwinden.«
    »Sie brauchte doch nur verschwunden zu bleiben! Sie hätte doch niemanden an ihrer Stelle verbrennen müssen!«
    »Genau das hatte sie auch vor. Alle glauben zu machen, sie sei mit Stelyos verschwunden. Aber während sie ganz mit ihrer Flucht beschäftigt war, hat sie die Ankunft von Alexandra vergessen. Sie hat zu spät daran gedacht, und dann fiel ihr ein, daß ihre Nichte es nicht hinnehmen würde, daß ihre Tante verschwindet, ohne zumindest auf sie zu warten; sie hat gewußt, daß Ermittlungen aufgenommen würden. Sie mußte für eine Leiche sorgen, um Ruhe zu haben.«
    »Und Dompierre? Wie soll sie erfahren haben, daß ihr auch Dompierre auf den Fersen war?«
    »Sie muß sich zu der Zeit in ihrem Haus in Dourdan versteckt haben. In Dourdan hat sie gesehen, wie Dompierre zu ihrem Vater kam. Sie ist ihm gefolgt und hat ihn umgebracht. Er aber hat ihren Namen aufgeschrieben.«
    Plötzlich begann Marc zu schreien. Er hatte Angst, ihm war heiß, er zitterte.
    »Nein!« schrie er. »Nein! Nicht Sophia! Nicht sie! Sie war so schön! Entsetzlich, das ist entsetzlich!«
    »Der Historiker darf sich vor nichts verschließen«, sagte Lucien.
    Aber Marc war schon draußen; während er Lucien noch zuschrie, er könne ihn mit seiner Historie am Arsch lecken, hielt er sich die Ohren zu und rannte auf die Straße.
    »Ein Empfindsamer«, sagte Vandoosler.
    Lucien ging wieder in sein Zimmer hinauf. Vergessen. Arbeiten.
    Vandoosler blieb mit dem Foto allein. Ein Schmerz hämmerte in seiner Stirn. Leguennec war jetzt wahrscheinlich gerade dabei, die Straßen zu durchkämmen, in denen sich die Clochards trafen. Um eine Frau zu suchen, die seit dem 2. Juni verschwunden war. Als er sich von ihm verabschiedet hatte, hatte sich unter dem Pont d’Austerlitz bereits eine Spur abgezeichnet: Eine Pennerin namens Louise, ein alter Stammgast, eine, die sich dort niedergelassen hatte und durch keine Drohung, zu bewegen war, ihren mit alten Kartons verstärkten
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