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Die Schatzhöhle

Die Schatzhöhle

Titel: Die Schatzhöhle
Autoren: Berndt Guben
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im Gras, trottete Karo weiter, nicht schnell, wie es die Art der Jagdhunde ist, sondern so langsam, daß ihm Mutatulli mühelos folgen konnte.
    Einmal noch bellte Karo; aber sein Herr legte ihm die Hand auf die Schnauze, und da wußte der Hund, daß er von nun ab kein Geräusch mehr von sich geben durfte.
    Es war Mutatulli selbst, der das Schweigen durchbrach. Ein Ausruf, allerdings noch rechtzeitig gedämpft, entfuhr seinem Mund. Vor ihm lag nach langer Wanderung der ruhige, hellblinkende See, in dem sich der Mondschein spiegelte.
    Des Häuptlings Blick blieb auf den Hütten haften, jener Siedlung, die in der
    Eingeborenensprache Stadt hieß und die am Rand des Ufers und auf den weit in den See hineinragenden Stegen lag.
    Vereinzelte Gestalten bewegten sich zwischen den Hütten in ihren leichten Rindenkähnen. Klatschend drang der Schlag der Paddel an das Ohr des Lauschenden. Man schien ohne Argwohn zu sein.
    Dennoch hielt es Mutatulli für richtig, seine Entdeckung etwas eingehender zu durchforschen. Vorsichtig ging er näher, legte sich dann auf den Boden und kroch ungesehen bis zum Stadtrand vor.
    Hier verweilte er und beobachtete. Er konnte nicht wissen, daß die Eingeborenen Fernando verschleppt hatten. Er lag lediglich hier, um einen Gesamteindruck zu bekommen und dem Pfeifer über das berichten zu können, was er gesehen hatte.
    Das Plätzchen sah unberührt aus, ein wenig primitiv zwar, aber dafür so friedlich, als sei es Jahrhunderte nicht mit der Außenwelt in Berührung gekommen. Und auf einmal war Mutatulli gar nicht mehr froh, daß er hier lag, daß er die Schiffe der Weißen an das Gestade dieser unbekannten Insel geführt hatte. Er schätzte den Pfeifer, und er hatte den Eindruck gewonnen, daß die maßgebenden Leute auf den Schiffen gute Menschen waren; aber er erinnerte sich dessen, daß auch jene Missionare gut gewesen waren, die zuerst in sein Stammesgebiet gekommen waren. Die Sklavenjäger aber, die ihnen bald folgten, brachten das jähe Erwachen mit sich.
    Und wie würde es hier werden, wie würde es denen ergehen, die jetzt an jenem silberhellen See ein Dasein der Beschaulichkeit führten?
    Er spielte mit dem Gedanken, seine Entdeckung zu verheimlichen. Er könnte zum Pfeifer gehen und ihm sagen, daß ihn sein Instinkt getäuscht habe. Er müßte dafür sorgen, daß die Ernte der Nüsse so schnell wie möglich vonstatten ging und daß man dann die Insel wieder verließ. Aber wie würden sich die Eingeborenen verhalten, denen die Ankunft der Schiffe doch längst kein Geheimnis mehr war?
    Mutatulli überlegte weiter. Sollte er den Stammesältesten aufsuchen, um ihn vor einer Berührung mit den Weißen zu warnen? Wenn er das tun wollte, müßte er es sofort tun.
    Er verwarf alle diese Gedanken. Er stellte sich vor, wie jener Häuptling reagieren würde, wie er, Mutatulli selbst, reagieren würde, wenn er das Oberhaupt dieser Wasserstadt wäre. Seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln.
    Er wischte sich mit der Hand über die Augen, warf einen Blick auf den idyllischen See mit der Pfahlstadt, wandte sich, noch immer auf dem Bauche liegend, im hohen Grase um und kroch auf seiner Spur zurück, bis er gefahrlos wieder aufrecht gehen konnte. Der Hund war neben ihm. — Kurz bevor der Morgen anbrach, erreichte er seine Gefährten. Der eine oder der andere der Seeleute saß bereits im feuchten Gras und versuchte, ein Feuer zu entfachen.
    Der Pfeifer richtete sich auf und sah dem Kundschafter erwartungsvoll entgegen.
»Nun, hat sich Eure Vermutung bestätigt?«
Mutatulli nickte.
»Ja, Sir, ich habe das Eingeborenendorf gefunden.«
Er schilderte die Entdeckung des Sees und beschrieb das Aussehen der Stadt über dem Wasser.
Michel hörte aufmerksam zu. Seine Blicke waren auf den Boden geheftet. Ihm entging nicht der
leise Ton der Trauer in des Häuptlings Stimme.
Als Mutatulli geendet hatte, fragte er:
»Was bedrückt Euch?«
    Mutatulli schwieg, zuckte dann nach einer Weile mit den Schultern und meinte:
    »Ich kann es Euch nicht so klarmachen. Eine Stimme in mir wollte mich davon abhalten, Euch
mein Wissen preiszugeben. Mir tun die Bewohner dieser Insel leid, wenn ich daran denke, daß
sie durch meine Schuld von Weißen entdeckt wurde.«
Michel nickte.
    »Ich habe volles Verständnis für Euer Bedenken. Aber wir sind keine Kolonisten, sondern Seefahrer, die Handel treiben wollen. Die meisten von uns werden die Insel bald wieder vergessen haben. Vielleicht sind wir auf Jahre hinaus die einzigen
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