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Die Schatzhöhle

Die Schatzhöhle

Titel: Die Schatzhöhle
Autoren: Berndt Guben
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Gelegenheit haben, euch an Abu Sef zu rächen.« Er berichtete von dem Erlauschten alles, was er für nötig hielt. Seine eigenen Pläne und Gedanken verschwieg er wohlweislich. »Wieviel Leute gehören zu Abu Sef?« fragte Hassan.
    »Das weiß ich nicht genau. Sie sprachen nur von wenigen. Ich schätze, daß es höchstens zehn sein werden.«
    »So sind wir ihnen überlegen«, rief der Junge, und seine Augen glühten in fanatischem Haß auf. »Wir werden sie totschlagen wie tolle Hunde!«
    Michel hielt es heute für sinnlos, Hassan wiederum eine Lektion über den Wert eines
    Menschenlebens zu erteilen. Für den Pfeifer kam es darauf an, Tscham zu retten. Allein dieser Gedanke war es, der ihn bewegte. Er wußte, daß er seinen Prinzipien untreu geworden war. Aber heute schwieg die Stimme seines Gewissens. Und wenn er gründlich darüber nachdachte, was es nützen würde, Abu Sef und seine Leute diesmal noch vor der Vernichtung zu bewahren, so sah er ein, daß es sinnlos sein würde. Der Rache Abd el Atas und der »Dreizehn Verlassenen« würde Abu Sef nie und nimmer entgehen. Sie würden ihn noch verfolgen, wenn Michel schon längst auf dem Wege in andere Länder war.
    »Brechen wir sogleich auf?« fragte Hassan.Michel schüttelte den Kopf.
    »Ich bin auch nur ein Mensch«, sagte er. »Wir wollen die Nacht durch schlafen. Beim ersten Tagesschimmer geht es los.«
    »Aber ich bin ausgeschlafen«, sagte Hassan. »Du schon, aber ich nicht. Im übrigen wird es dir nicht schaden, wenn du die Augen wieder schließt. Auch die Pferde bedürfen der Ruhe.« Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, nahm der Pfeifer seine Decke um die Schultern und legte sich unter einen Strauch.
    Die Gedanken, die ihm vor dem Einschlafen durch den Kopf gingen, bewegten sich
    ausschließlich um den kranken Tscham. Erst später, als er sich die Reiseroute, die Ojo, Tscham und er im Dschaggaland nehmen würden, noch einmal in allen Einzelheiten durch den Kopf hatte gehen lassen, schweiften sie ab, schweiften über Meere und Länder, über Flüsse und Berge und verweilten dann bei einem Frauenantlitz. Und der Pfeifer wunderte sich sehr, daß dieses liebliche Gesicht diesmal nicht die Züge Marinas trug.
    Klar und deutlich stand seine Jugendfreundin Charlotte Eck vor seinem inneren Auge. Vor acht Jahren hatte er sie zum letztenmal gesehen. Acht Jahre seines jungen Lebens hatte ihm der Landgraf von Hessen-Kassel geraubt. Ob wohl in Deutschland Gerechtigkeit eingezogen war? Ob man sich seiner noch erinnern würde, wenn er heute wieder in Kassel auftauchte? Durfte er sich dort überhaupt sehen lassen? Lebte der Landgraf noch? Was war aus seinem Vater geworden, was aus dem Grafen Eberstein? Und Charlotte, war sie nicht vielleicht längst die Mutter glücklicher Kinder? All die Jahre hindurch hatte er von ihr keine Nachricht erhalten. Ein langer Weg lag hinter ihm. Von Deutschland kommend, über Frankreich, war er über die Pyrenäen nach Spanien gezogen. In Santander kam er dann auf das Schiff des Kapitän Porquez. Die »Trueno« hatte ihn über Meere getragen. Schon nahe am Ziel seiner Sehnsucht, vor der Küste Amerikas, hatte sie der Sturm gepackt und über den Atlantik zurückgetrieben. Dann Algier, dann der Steinbruch am Rand der Sahara, aus dem ihn Marina befreit hatte. Dann wieder Algier, dann Oran, dann Marokko, dann Tunis, dann die Türkei, die Fahrt um die Südspitze Afrikas nach Kalkutta, der Weg von Kalkutta in die Südsee, die Muskatnußinsel, die Vernichtung der Schiffe dort, die Flucht auf der »Trueno« und schließlich die Trennung von Schiff und Kapitänin in Sansibar: fürwahr, ein langer Weg.

    Mit dem Gedanken an Charlotte Eck schlief er ein.
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