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Die Schatzhöhle

Die Schatzhöhle

Titel: Die Schatzhöhle
Autoren: Berndt Guben
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sagte Tunatatschi. »Wie kann ich einen starken Mann bewachen?«
    Das Mädchen war die Tochter des Häuptlings, der einzige Mensch wohl auf der ganzen Insel, der keine Furcht vor Tunatatschi hatte. Sie hob sich von den übrigen Bewohnern zu ihrem Vorteil ab. Wenn man bedachte, daß sie eine Eingeborene war, so konnte man sie als schön, ja, als sehr schön bezeichnen. In ihren Zügen lag nichts Grobes. Alles an ihr war von einer bewunderungswürdigen Grazilität. Aber in ihren Augen saßen tausend Dämonen. Sie konnte unter Umständen ein sehr gefährliches Mädchen sein. Ihr Name war Taitscha.
    »Jedes Weib kann einen Mann bewachen«, sagte Tunatatschi. »Denn das Weib ist die Fessel des Mannes.«
    »Du kannst nicht wissen, wie die Männer aus anderen Völkern sich verhalten. Vielleicht findet er mich häßlich.«
    Tunatatschi grinste nur, sagte aber nichts. Wozu auch? Er wußte es besser. Wenn auch die Insel, auf der sein Volk wohnte, unbekannt war, wenn auch die habgierigen Weißen nichts von ihr wußten, so kannte er die Weißen um so besser. Jedes Jahr unternahm er Reisen zu ihnen, verdingte sich oft als Knecht oder Tagelöhner, arbeitete eine Weile für sie, solange es ihn gut dünkte, und verschwand dann eines Tages wieder aus ihrem Gesichtsfeld, wenn er für diesmal genug gesehen zu haben glaubte. Das Auslegerkanu trug ihn über Meeresteile, die der weiße Mann nicht einmal mit einem seiner starken Ruderboote überquert haben würde. »Wenn er erwacht, so rufe mich, Taitscha.« »Ja! Wirst du Tuan Hassan Bescheid geben?«
    »Ich werde jetzt schlafen; denn die Nacht ist nicht für Gespräche gemacht.«
    Taitscha betrachtete den fremden Gefangenen wohlwollend. Sie konnte sich nicht entsinnen, je einen so schönen Mann gesehen zu haben. Aber sie dachte nicht eine Sekunde daran, ihn für sich zu gewinnen. Sie haßte die Weißen, die Fremdlinge, die Eindringlinge. Aus der Überlieferung ihrer Väter wußte sie, daß ihr Volk einst auf einer blühenden Insel gewohnt hatte und daß dann die Holländer gekommen waren, um es auszurotten und die wenigen, zu deren Nachkommen sie zählte, zu verjagen.
    Die Urväter waren mit ihren Kanus aufgebrochen und bis hierher gekommen. Seitdem hatte nie ein Weißer mehr in ihrer Nähe gelebt. Die Reste ihres Volkes hatten die Gebräuche der Alten erhalten, waren ihrer Art treu geblieben und führten ein beschauliches Dasein, bis vor einer Sonne eine schwimmende Burg an ihr Gestade gekommen war, ein riesiger Holzkasten wie jener, auf dem die verhaßten Weißen, von denen der Großvater so oft gesprochen hatte, einen Teil ihres Lebens verbrachten.
    Aber in diesem Fall war der Ankömmling auf dem Schiff kein Weißer, wohl ein Fremder, aber einer von dunkler Hautfarbe. Deshalb vertraute ihm Tunatatschi und trieb Handel mit ihm. Man erwies sich gegenseitig Höflichkeiten. Dann fuhren die dunkelhäutigen Seefahrer wieder ab, um von Zeit zu Zeit wiederzukommen. Sie hatten Rotang geladen, wenn sie die Insel verließen. Nie war es einem von ihnen eingefallen, tiefer in das Innere einzudringen. Und so war es gekommen, daß Hassan, der Händler, nichts von der Existenz der Muskatnußbäume wußte.
    Tunatatschi hatte es für richtig gehalten, seinen größten Schatz nicht preiszugeben; denn er wußte, daß damit die Ruhe der Insel in kürzester Zeit zerstört sein würde. Er kannte die Geldgier der Fremden. Und schließlich hatten ja gerade die Muskatnüsse mit dazu beigetragen, daß sein Volk vor nunmehr hundert Sonnen nahezu ausgerottet worden war. —
    Der Gefangene regte sich zum erstenmal, als der Morgen graute. Er stöhnte. Taitscha blickte
ungerührt auf ihn nieder.
Nach einer Weile schlug er die Augen auf und sagte:
»Verdammt, Ernesto, hab ich einen Brummschädel!«
Als niemand antwortete, richtete er sich halb hoch und wandte den Oberkörper zur Seite.
»He, pennst du immer noch, Alter?«
Plötzlich stutzte er.
»Diablo«, entfuhr es ihm. »Was ist das?«
Er musterte erschrocken die Umgebung. Seine Blicke blieben an dem Mädchen haften. Er schloß
die Augen wieder und legte sich zurück. Wirre Gedanken tanzten in seinem Kopf einen
schauerlichen Tanz.
Wo war er?
Träumte er?
Lebten die anderen noch?
Waren sie ermordet worden?
Nach einer Weile richtete er sich wieder auf.
    »Maldito«, schrie er seine ungerührte Pflegerin an, »wie komme ich hierher? — Was habt ihr mit den compañeros gemacht?«
    Sie starrte ihn unverwandt an. In ihren Augen war ein gefährliches Funkeln. Es waren
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