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Die Schattenplage

Die Schattenplage

Titel: Die Schattenplage
Autoren: Brandon Mull
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es wohl nie erfahren.«

    Seit sie nach Fabelheim gebracht worden war, hatte sich derselbe Gefangene in der Stillen Kiste befunden, bis der Sphinx den mysteriösen Insassen gegen Vanessa ausgetauscht hatte. Er hatte darauf beharrt, dass einzig und allein die Stille Kiste sie davon abhalten würde, ihre Fähigkeiten gegen sie einzusetzen und sie weiter im Schlaf zu kontrollieren. Wenn Vanessas letzte Botschaft der Wahrheit entsprach und der Sphinx böse war, hatte er wahrscheinlich einen uralten und mächtigen Widersacher der Verwalter befreit. War die Botschaft falsch, brachte der Sphinx den Gefangenen lediglich an einen neuen Ort, wo er abermals eingekerkert werden würde. Keiner von ihnen hatte den geheimen Gefangenen richtig gesehen, nur eine von Ketten umschlungene Gestalt, deren Kopf unter einem groben Jutesack verborgen gewesen war.
    »Ich hätte auch nichts dagegen, etwas über seine Identität zu erfahren«, erwiderte Kendra.
    »Ich konnte ihn kurz wittern, weißt du«, sagte Slaggo beiläufig und warf Kendra einen schnellen Blick zu. »Ich hatte mich in der Dunkelheit versteckt, als der Sphinx ihn vorbeigeführt hat.« Er war ganz offenkundig stolz auf diese Tatsache.
    »Und, hast du etwas über ihn herausgefunden?«, fragte Kendra, die den Köder geschluckt hatte.
    »Ich hatte schon immer einen guten Riecher«, erklärte Slaggo, wischte sich mit dem Unterarm über die Nase und wiegte sich auf den Fersen vor und zurück. »Definitiv ein Mann. Etwas seltsamer Geruch jedoch, ungewöhnlich, schwer einzuordnen. Nicht ganz menschlich, wenn ich raten müsste.«
    »Interessant«, sagte Kendra.
    »Ich wünschte, ich hätte ein wenig näher herankommen können«, jammerte Slaggo. »Ich hätte es versucht, aber der Sphinx ist niemand, mit dem man Spielchen treiben sollte.«
    »Was weißt du über den Sphinx?«
    Slaggo zuckte die Achseln. »Das Gleiche wie alle anderen auch. Angeblich ist er ganz furchtbar weise und mächtig. Aber er riecht wie ein Mensch. Wenn er etwas anderes ist, dann versteckt er es perfekt. Mensch oder nicht, auf jeden Fall ist er sehr alt. Der Duft eines vergangenen Zeitalters haftet ihm an.«
    Slaggo wusste natürlich nichts von dem Brief.
    »Er scheint einen guten Charakter zu haben«, bemerkte Kendra.
    Slaggo zuckte mit den Schultern. »Darf ich dir ein bisschen Brei anbieten?«, fragte er und schwenkte den Eimer vor ihr.
    »Ich verzichte«, antwortete Kendra und versuchte, den eitrigen Gestank nicht einzuatmen.
    »Frisch vom Feuer«, meinte Slaggo, doch Kendra schüttelte nur den Kopf, und er schlenderte schließlich davon. »Genieß die Dunkelheit.«
    Beinahe hätte Kendra gelacht. Slaggo hatte keine Ahnung, wie gut sie ohne Licht sehen konnte. Er dachte wahrscheinlich, dass sie es herrlich fand, allein im Dunkeln zu sitzen, was wiederum bedeutete, dass er sie für »seine Art Mädchen« hielt. Andererseits hatte sie es sich tatsächlich zur Gewohnheit gemacht, Zeit allein in diesem finsteren Kerker zu verbringen, also lag Slaggo mit seiner Einschätzung vielleicht gar nicht so falsch.
    Als der Goblin außer Sicht war und das orangefarbene Flackern seiner Fackel verschwunden, stand Kendra auf und legte eine Hand auf das glatte Holz der Stillen Kiste. Ungeachtet der Tatsache, dass Vanessa sie verraten hatte, ungeachtet dessen, dass sie sich als Lügnerin erwiesen hatte, und ungeachtet aller auf der Hand liegenden Gründe, so zu tun, als besäße sie wertvolle Informationen, glaubte Kendra der Botschaft auf dem Boden und wünschte sich zutiefst, mehr zu erfahren.
    Seth hatte sein bestes Pokerface aufgesetzt, als er zum Abendessen erschien. Coulter, der Experte für magische Reliquien, hatte Hackbraten mit Bratkartoffeln und Brokkoli zubereitet. Alle anderen saßen bereits am Tisch – Opa, Oma, Dale, Coulter und Kendra.
    »Tanu und Warren sind noch nicht aufgetaucht?«, fragte Seth.
    »Sie haben vor einigen Minuten angerufen«, antwortete Opa und hielt sein neues Handy hoch. »Tanus Flugzeug hatte Verspätung. Sie holen sich unterwegs etwas zu essen und müssten in ungefähr einer Stunde hier sein.«
    Seth nickte. Der Nachmittag hatte ihm reichlich Gewinn eingebracht. Er hatte seinen Anteil an dem Gold bereits in dem Dachbodenzimmer verstaut, das er sich mit Kendra teilte – der Lederbeutel mit dem Schatz steckte in einem Paar Sportshorts auf dem Boden einer seiner Schubladen. Er konnte immer noch kaum glauben, dass er das Gold tatsächlich hatte in Sicherheit bringen können, bevor
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