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Die scharlachrote Spionin

Die scharlachrote Spionin

Titel: Die scharlachrote Spionin
Autoren: Andrea Pickens
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bemerkte die Direktorin sanft, während sie sich ein paar Notizen machte. Mit ihren angenehmen Manieren und der gekräuselten Seide wirkte sie wie der Inbegriff einer sittlichen und anständigen älteren Dame - abgesehen von der rasiermesserscharfen Dolchspitze, die aus ihrem Ärmel hervorlugte.
    »In der Tat«, stimmte Lynsley zu. »Gleichwohl habe ich ein paar interne Erkundigungen eingezogen. Ich dachte, für den Fall, dass ich tatsächlich Hinweise auf ein falsches Spiel finden kann, könnte ich seinen Schmerz ein wenig lindern, indem ich dafür sorge, dass die Schurken ihre gerechte Strafe bekommen.«
    Mrs. Merlins Stift glitt über die Seite. »Und?«
    Lynsley stieß den Atem aus. »Und ich fürchte, dass die Anschuldigungen ein Körnchen Wahrheit enthalten könnten.« Die Kohlen knackten, während er nachdenklich in die Flammen blickte. »Es gibt ein altes Sprichwort ... wo Rauch ist, ist auch Feuer. In diesem Fall hat es sehr beunruhigende Erkenntnisse zutage gefördert, ein paar Opiumhöhlen zu besuchen, die von den Salons bevorzugt werden. Lord Robert Woolsey war nicht der erste Gentleman, der unter verdächtigen Umständen zu Tode gekommen ist. In den letzten sechs Monaten hat es insgesamt sieben getroffen, eingeschlossen einen Diplomaten aus Antwerpen und einen Gesandten aus Venedig.«
    »Beunruhigend, in der Tat. Aber nichts, wofür Ihre Abteilung der Regierung die Befugnis zum Eingreifen besäße. Es scheint mir eher ein Fall für die örtliche Verwaltung zu sein als einer für unsere Merlins.« Mrs. Merlin hielt kurz inne. »Wie auch immer, falls es sich nur um eine schmutzige Geschichte um Drogen und Ausschweifungen handelte, wären Sie nicht hergekommen.« Für einen kurzen Augenblick, als sie lächelte, wurden ihre Lippen weicher. »So sehr ich Ihre Gesellschaft zum Tee auch schätze, Thomas, mir ist durchaus bewusst, dass Sie Ihre Zeit nicht mit Aufwartungen verschwenden.«
    »Sie haben ganz recht. Es liegt ein tieferes, dunkleres Geheimnis in der Sache«, antwortete der Marquis. »Ein Netz von Intrigen, das sich von den Armenvierteln in St. Giles bis zu den herrschaftlichen Anwesen in Mayfair zieht. Der Himmel allein weiß, wohin es sich von dort aus erstreckt.« Lynsley seufzte. »Opium ist nur ein kleiner Teil der Mixtur. Meinen Informanten sind Gerüchte über ein ausgefeiltes System von Unterschlagungen zu Ohren gekommen. Ein System, das irgendwie Geld aus rechtmäßigen Regierungsverträgen abzieht und in ein privates Konsortium einspeist. Manche Lieferungen werden abgelenkt und auf private Rechnung verkauft, während andere mit minderwertigem Material beladen werden, sodass die Differenz als Profit eingesteckt werden kann.«
    Es entstand eine kurze Stille, als Lynsley die Handflächen an den marmornen Kaminsims presste. »Unglücklicherweise weiß ich nicht näher, was genau betroffen ist. Aber wenn die Sache stimmt, dann werden wesentliche Dienste und die militärische Versorgung in Mitleidenschaft gezogen, während ein kleiner Kreis von Verschwörern ein Vermögen macht.«
    »Das wirft ganz sicher ein anderes Licht auf das persönliche Leid des Dukes.« Mrs. Merlin stellte die Teetasse ab. »Falls es der Wahrheit entspricht.«
    »Wir können es uns nicht leisten, der Spur zu folgen, um zu sehen, wohin sie uns führt«, erwiderte er, »wenn hohe Regierungskreise versucht sind, sich korrumpieren zu lassen, könnte es die heftigsten Erschütterungen für unser Land nach sich ziehen. Ein Skandal zu diesem Zeitpunkt würde unsere Anstrengungen, Napoleons Marsch nach Osten aufzuhalten, ernsthaft schwächen.«
    »Dennoch zögern Sie.«
    »Es fällt mir niemals leicht, eine unserer Schülerinnen der Gefahr auszusetzen. Ganz besonders dann nicht, wenn der Feind zwar bösartig ist, aber nichts weiter als eine Wolke aus Rauch und Schatten.«
    »Natürlich ist es nicht leicht, Thomas«, stimmte Mrs. Merlin zu, »ja, es ist ein schwieriges, schmutziges Geschäft, England vor allen seinen Feinden in Sicherheit zu bringen. Aber genau deshalb gibt es die Akademie.« Als sie sah, wie er die Finger um den polierten Marmor schloss, fügte sie hinzu: »Vielleicht ist es ein Trost, dass die Mädchen die Gefahren begreifen, denen sie ausgesetzt sind, und die Herausforderung annehmen. Sie glauben so stark wie wir daran, dass unsere Freiheit lohnt, in den Kampf zu ziehen.«
    »Sehr wortgewandt, wie immer. Sie sind also der Meinung, ich sollte ein reines Gewissen haben?« Der Marquis hob den Kopf und betrachtete
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