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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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diese Kunstrichtung gab.
    Ich machte einen Rundgang durch die restlichen Räume. Auch dort sah es chaotischer aus als bei Hempels unterm Sofa. Der andere Eindringling hatte das Gesuchte nicht gefunden, sonst hätte es zumindest eine halbwegs ordentliche Ecke in diesem Haus gegeben.
    Der leidgeprüfte Privatschnüffler ließ sich jedoch nicht entmutigen und startete selbst eine Durchsuchung. Als Startpunkt wählte ich den überschaubarsten Raum, das Badezimmer. Nach einer guten Viertelstunde hatte ich selbst die Packungen mit Zahnersatzhaftcreme kontrolliert, ohne Erfolg. In Connies Schlafzimmer entdeckte ich auch nichts Aufsehenerregendes, abgesehen von einigen wirklich scharfen Dessous.
    Ich trottete ins Wohnzimmer zurück und ließ den Strahl der Taschenlampe durch den Raum gleiten. Bingo. In einer Ecke war ein kleiner Tresor in die Wand eingelassen. Der Haken über dem Safe verriet, dass dieser originellerweise unter einem Bild versteckt gewesen war, die offene Tür, dass der Einbrecher ihn nicht übersehen hatte. Innen lagen nur die üblichen Papiere: Grundstücksurkunde, Versicherungsunterlagen und Sparbücher, deren Guthaben meinen Bankeinlagen entsprachen, das war’s.
    Langsam stieg Wut in mir hoch. Ich stellte das Haus von oben bis unten auf den Kopf, blätterte jedes Buch durch, rückte Schränke ab, hob Fernseher und CD-Spieler hoch, doch das Ergebnis stand in keinem Verhältnis zum Aufwand.
    Resigniert ging ich in die Küche, schnappte mir eine Flasche Brohler von der Anrichte und befeuchtete meinen ausgetrockneten Mund mit Mineralwasser. Pfui Deibel! Warm und ohne Kohlensäure. Also Kühlschrank auf, wo mich eine volle Pulle anstrahlte. Doch nicht nur das: Der Kühlschrank war aufgeräumt. Immer diese Amateure: Stellten das komplette Haus auf den Kopf und vergaßen das Wichtigste.
    Die Joghurtpackungen und Milchtüten waren verschlossen. Auch die Tupperdosen machten den Anschein, als seien sie seit Christi Geburt nicht geöffnet worden. Wahrscheinlich hatte sich der Alte nach Connies Tod auf die Zubereitung von Wurstbroten beschränkt. Ich ignorierte den Verwesungsgestank und öffnete eine Dose mit Gulasch. Da es auf ein bisschen Durcheinander mehr oder weniger nicht ankam, entleerte ich sie im Spülbecken. Das gleiche Schicksal ereilte Blumenkohl und Wirsing.
    Fündig wurde ich bei der letzten Dose, die mit Erbsensuppe beschriftet war. Aber hallo! Ein kleines Büchlein war nicht gerade das, was man dort erwartete. Was mir aber wirklich den Atem verschlug, waren die Fünfziger und Hunderter, die in der Kladde steckten. Ein schnelles Durchzählen ergab fünftausend Euro, nicht schlecht für eine Portion Eintopf.
    Die Strazze enthielt zum Glück keine lyrischen Ergüsse, sondern die prosaische Lebensbeichte des Hausherrn: Lienens Tagebuch. Bisher hatte ich angenommen, dass nur pubertierende Adoleszenten ihr Seelenleben auf Papier bannten . Na gut, Grass hatte es auch getan, aber der hatte sich bei der zahlenden Leserschaft in Erinnerung bringen wollen.
    Ich schlug die erste Seite auf. Sie datierte vom 14. März diesen Jahres:

    »Mein liebes Tagebuch,
    heute machte mir mein Zipperlein schwer zu schaffen. Es biss und zwickte in allen Gliedern. Ich bat Cornelia, meinen von der last des Alters und der Gram des in vielen Jahren Erlebten gebeugten Rücken mit Dr. Knochenmanns Rheumasalbe einzureiben. Sie entgegnete, dass Dr. Knochenmann zum einen nur ein Quacksalber sei, der sich auf Kosten der werbungsgläubigen Senioren eine goldene Nase verdiene, und dass ich mich zum anderen wie ein Kleinkind benähme, das bei einer Schramme dächte, es würde verbluten. Die hat gut reden, das Fräulein Krankenschwester. Soll sie erst einmal in mein Alter kommen. Wo ich dir gerade von Cornelia erzähle. Sie hat seit gestern einen neuen Lover !!!, wie sie sich ausdrückte. Was für ein Wort. Wir hätten früher gesagt, dass wir die Bekanntschaft eines jungen Herrn gemacht hätten. Aber was beklage ich mich? Besser als der langhaarige Hippie, über den ich mich im letzten Monat bei dir beschwert habe, ist er schon.
    Heute habe ich ihn kennengelernt. Schreibt Gedichte und Romane, der Kerl. Gedichte interessieren mich nicht, aber seine Bücher habe ich mir sofort in der Pfarrbücherei ausgeliehen. Gar nicht mal schlecht. Der Junge kennt das Leben. Ob er aber mit der Schreiberei eine Familie ernähren kann, bezweifle ich. Gute Romane werden in unserem Land nicht geschätzt. Wir haben uns über Politik unterhalten. Grutz, so
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