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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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heißt er, meinte, mein Vorschlag zur Lösung des Asylantenproblems sei sehr interessant. Überhaupt, man solle viel häufiger auf die Meinung älterer Mitbürger hören. Sie hätten schließlich die größere Lebenserfahrung. Siehst du, habe ich zu Cornelia gesagt, dieser Mann versteht etwas von Politik. Ich habe Grutz einige Anekdoten aus meinem erfüllten Leben erzählt, und er hat ganz gespannt zugehört. Er hat sogar gefragt, ob er die Geschichten für seine Bücher verwenden dürfe. Natürlich...«

    Lienen musste sich einsam fühlen. Einen anderen Grund für dieses Geschreibsel konnte ich mir nicht vorstellen. Die nächsten Seiten überflog ich im Schnelldurchgang, konnte aber nichts Brauchbares entdecken. Interessant wurde es erst am 6. Dezember, Grutz’ Todestag. Nach dem Überfliegen der ersten Zeilen wusste ich, dass ich schnell handeln musste.

26

    I ch steckte Kladde und Geld in die Jacke, schnappte die unbenutzte Allzwecktasche, lief zum Wagen, warf mich hinters Steuer und das Werkzeug auf den Beifahrersitz. Schneller als jeder Notarzt war ich am Krankenhaus, ohne Blaulicht und Sirene. Der Eingang war geschlossen. Ich klingelte den Pförtner heraus, und nach eingehender Ausweiskontrolle ließ er mich endlich herein. Das Versprechen, seine Punkte in Flensburg zu streichen, ging mir leicht von den Lippen.
    Der Stuhl vor Lienens Zimmer war verlassen, das Zimmer bis auf den im Bett liegenden Alten ebenfalls. Ich hätte mir denken können, dass auf Grabowski kein Verlass war, und fragte eine Schwester, die lustlos einen verwaisten Rollstuhl vor sich herschob, wo er abgeblieben sei. Sie zuckte nur mit den Schultern.
    Ich ging die angrenzenden Räume durch; im vierten wurde ich fündig. Peter steckte gerade seinen Kugelschreiber in die Jackentasche.
    »In zwei Wochen haben Sie Garten & Blumen auf dem Tisch, Herr Deubert .«
    Der Greis, der seinem Aussehen nach nie mehr in einem Garten stehen würde, lächelte selig.
    »Es hat mich gefreut, den Züchter der Colorado-Rose persönlich kennengelernt zu haben«, ergriff er mit beiden Händen Gurkennases Rechte.
    »Grabowski !« , unterbrach ich das Zeremoniell und zog den Drücker aus dem Raum.
    »Was fällt dir ein, mitten in der Nacht Abos zu verscherbeln? Ich nehme an, du hast den Attentäter bereits erwischt und dingfest gemacht ?«
    »Nein, wieso ?« , blinzelte Peter unschuldig wie die unbefleckte Empfängnis. »War die ganze Zeit tote Hose. Der Kerl schlägt doch heute sowieso nicht mehr zu, also hab ich die Zeit zu einem kleinen Verkaufsgespräch genutzt. Oder glaubst du etwa, dein krümeliger Lohn reicht für meine Rente ?«
    Ich war dicht davor, Peters wahrlich stattliche Nase zu plätten, als uns ein gellender Schrei zusammenzucken ließ. Schneller als ein Windhund in einem Porsche erreichte ich Lienens Zimmer. Eine gedrungene Schwester beugte sich über das Bett des Alten.
    »Was ist passiert ?« , keuchte ich ihren Stiernacken an.
    »Herr Lienen ist tot«, drehte sie sich um.
    Das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Lienen ebenfalls. Die verzerrten Gesichtszüge und die bläuliche Gesichtsfarbe ließen auf keinen angenehmen Tod schließen. Ich ergriff seine schlaffe Hand; die Leiche war noch warm.
    »Haben Sie in den letzten Minuten jemanden auf dem Flur gesehen, der nicht zur Station gehört ?« , wandte ich mich ans Schwesterlein.
    »Nur Doktor Beyer, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass...«
    »Veranlassen Sie alles Nötige«, schnitt ich ihr mit einer unwirschen Handbewegung das Wort ab.
    Mit wehendem Kittel eilte sie hinaus. Ich schaute mich um. Bis auf Lienens durchwühlte Kleidung, die vor statt im Schrank lag, fiel mir nichts auf. Doch irgendwas stimmte nicht. Als mein Blick noch mal durch den Raum schweifte, fiel es mir plötzlich wie Schuppen aus den Haaren: Das Fenster klapperte leise vor sich hin. Ich zog den giftgrünen Vorhang zur Seite; es war geöffnet. Mit einem waghalsigen Sprung gelangte ich in den spärlich beleuchteten Krankenhauspark, der verlassen war wie Münster an einem fahrradfreien Sonntag. Ich rannte, was Beine und Lunge hergaben, und gelangte zu den Parkplätzen. Bis auf wenige Autos, darunter meines, war nichts zu sehen.
    Plötzlich jaulte der letzte Wagen in der Reihe auf, setzte zurück, wendete und schoss ohne Abblendlicht an mir vorbei.
    Als mein Golf die Straße erreichte, war die Karre natürlich über alle Berge. Nur eine Ente mit betrunkenen Studenten schlingerte über den Asphalt. Das frühzeitige
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