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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Erna-Moden gebrettert war, wo er zwölf Damenschlüpfer entwendete, fragte ich mich zum millionsten Mal, womit ich diese Tortur verdient hatte. Esther Hicks vertrat in ihrem Bestseller Ask and it is given die Theorie, dass sich all unsere Gedanken in der materiellen Welt manifestierten. Aber so viel schlechtes Karma hatte ich doch unmöglich in meinem jetzigen oder den vorherigen Leben anhäufen können? Musste Knastcharge unter Pol Pot gewesen sein.

    Angefangen hatte die unappetitliche Angelegenheit an einem ganz normalen Herbsttag. Lauer Wind, bunte Blätter, milde Sonne; ein Tag, an dem ich gerne mein Haus verließ. Vor allem, wenn ein entspannter Routinefall darauf wartete, von mir behaglich abgeschlossen zu werden. Bauer Josef Hisker betrog seine angetraute Gisela Maria. Konnte ich ihm nicht verdenken, denn die Namensvetterin der Mutter Gottes trug einen Damenbart über der Lippe und auf den Zähnen. Allerdings hatte mich die Hofeigentümerin mit der Aufgabe betraut, Beweise für die außerehelichen Aktivitäten des Landwirts zu erbringen. Pecunia non olet, wie der Münsterländer Volksmund nach einigen Wacholdern gern zum Besten gab, und so war ich hinter Josefs Trecker durch die Landschaft gezuckelt. Sehr gemütlich, bis zu dem Zeitpunkt, wo der testosterongesteuerte Bauer eine dunkelgelbe Ampel überquerte. Blieb mir nichts übrig, als ihm bei Kirschgrün zu folgen. Dabei übersah ich leider das schwarze Wollknäuel, das eine ältere Dame hinter sich herzerrte. Künstlerpech. Im Rückspiegel hatte ich noch registriert, wie sich die Oma über die schwarze Masse gebeugt hatte, dann hatte Hisker wieder oberste Priorität genossen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass mir vom Tennenfenster optimale Schnappschüsse von Jupp auf der Nachbarsbäuerin gelungen waren. Pikanter als zwanzig Jahre alter französischer Ziegenkäse.
    Ich hatte die Angelegenheit bereits vergessen, als ich eines nicht ganz so schönen Herbstmorgens Post von der Dülmener Polizei erhielt. Frau Erna Rehwald hatte Anzeige erstattet. Ich hätte absichtlich ihren Pudel Wilma überfahren und Fahrerflucht begangen. Es gäbe sieben Zeuginnen für die Tat. Die Vornamen lauteten Luzi, Elisabeth, Hannelore, Else, Hertha, Hedwig und Alma. Alles klar? Die Gute hatte ihren gesamten Häkelverein mit selbst gebackenen Nussecken als Zeuginnen gekauft. Darüber hatte ich nur grinsen können. Das Lachen war mir jedoch zur Grimasse gefroren, als ein verknöcherter Richter die Zeuginnen als uneingeschränkt glaubwürdig befunden hatte. Dabei hatten drei der betagten Damen geschworen, der Täter hätte einen Vollbart getragen. Zwei hatten im fahrenden Auto meine Glatze blitzen sehen, und Hertha hatte sich an meinen bayrischen Trachtenanzug mit Baseballschläger in der Hosentasche erinnert. Die in meinen blauen Augen funkelnde Mordlust hatten aber alle beobachtet. Folgerichtig verurteilte mich der Intendant des Komödienstadls zu vierzig Sozialstunden und zehn Gruppentherapiesitzungen.
    In den Arbeitsstunden musste ich mit Kaufhausdieben, Schulschwänzern und anderen Randgruppenexistenzen die städtische Flora von Zigarettenkippen und Junkiespritzen säubern; in der Therapie durfte ich den Leidensgenossen aus meiner schweren Kindheit erzählen. Anfangs hatte ich dichtgemacht. Was ging den Schulz meine überaus glückliche Jugend an? Als er sich aber auf mich eingeschossen und mit Verlängerung der Strafe wegen vollkommener Uneinsichtigkeit gedroht hatte, war ich gezwungen, meine Strategie zu ändern. In jeder Sitzung erfand ich eine neue Leidensgeschichte und hoffte, dass mein Vater auf seiner mallorquinischen Finca nie erfahren würde, was Sohnemann für Lügen über den pensionierten Vorstandsvorsitzenden eines Frankfurter Bankhauses verbreitete. Ich kam mir wie eine Reinkarnation der Gebrüder Grimm vor, aber Schulz schien es zu gefallen. Stand anscheinend auf Märchen.
    Meine Strafe galt als verbüßt, wenn ich keine Arbeitsstunde versäumte und eine positive Prognose vom Psychoheini ausgestellt bekam. Glücklicherweise hatte ich das Martyrium so gut wie hinter mir. Nur noch ein Arbeitseinsatz trennte mich von der geliebten Freiheit.
    »Und nun stehen wir alle auf und geloben: Wir sind mutig und stark, widerstehen dem Bösen und sorgen dafür, dass die Welt ein besserer Ort wird«, riss mich Schullis Pathos aus einem Anflug von Selbstmitleid.
    Während wir vor Inbrunst bebend die Worte der Weisheit und Erleuchtung deklamierten, taxierte Schulz
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