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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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aber kurz vor der harten Landung auf dem Pflaster die Balance wiederfand.
    »Mein teurer Freund, Sie sind ja ungestüm wie ein junges Füllen, wenn mir die Metapher gestattet ist«, strahlte er mich bewundernd an.
    »Sie wünschen ?« , gab ich mich kürzer als ein beschnittener Meerschweinchenschwanz.
    »Ich habe zwei Stunden dem Gotte Chronos geopfert, um vom König der Münsterländer Kriminalistik eine Audienz gewährt zu bekommen«, wischte er imaginären Staub von der Kleidung. »Dabei habe ich mir einige luftige Zeilen Hölderlin zu Gemüte geführt. Empfinden Sie nicht auch, dass ein erfrischender Odem durch seine Verse weht? Tatamtatam, tatamtatam, tatam. Einfach und raffiniert zugleich.«
    Wer war der Kerl, und was wollte er von mir? Zuerst hatte ich vermutet, dass seine Eltern Geschwister gewesen waren. Jetzt drängte sich mir der Verdacht auf, dass ich gerade Opfer einer dieser urkomischen Versteckte-Kamera-Shows wurde. Argwöhnisch blickte ich aus den Augenwinkeln neben den Stall. Kein Frank Elstner, der in wenigen Augenblicken feixend hinter dem Misthaufen hervorspringen und »Verstehen Sie Spaß?« brüllen würde.
    »Kommen Sie zur Sache«, knurrte ich.
    »Ich habe einen Auftrag, will Sie auf eine Mission schicken, Wertester. Ich will Ihren Spürsinn reizen, Sie wie einen Bluthund auf die Fährte setzen, dass Sie sich in die Lenden des Mörders verbeißen und ihn reißen wie ein Wolf. Gestatten, dass ich mich vorstelle. Xtra Vaganz, Extra ohne E«, redete sich der Paradiesvogel in Rage.
    Obwohl ich mit einem nicht gerade kleinen Mundwerk gesegnet war, fehlten mir die Worte. Der Kerl war ja verrückter als der Schafhirte Potthoff, der vor nicht allzu langer Zeit mein Gehöft zum Marientempel umgewandelt hatte.
    »Bitte?«
    »Mein Künstlername«, klopfte sich mein Besucher stolz auf die Brust. »Mon nom est mon programme, wie ich zu sagen pflege. Sie haben bestimmt von mir gehört: Ich bin von Beruf oder besser gesagt Berufung Dichter .«
    »Nein, bedaure«, dankte ich Gott, dass er mir die Werke dieses Kais aus der Acid-Kiste vorenthalten hatte.
    »Nun, momentan kursieren meine Werke in Internetforen, aber im nächsten Jahr plane ich diverse Publikationen. Ich bin sehr vielseitig. Naturlyrik über die atemberaubende Ästhetik unserer Region und ein Geisterjägerroman, den ich nach Aleister Crowleys Tarotdeck komponiert habe. Zudem übersetze ich unbekannte Autoren und Fachliteratur über den Sexus in Esperanto. Mein...«
    »Lassen Sie uns ins Haus gehen, und Sie erläutern mir in Ruhe den Auftrag. Mir ist kalt«, unterbrach ich den Redeschwall. Zwar war mir der Typ auf Anhieb zutiefst unsympathisch, aber wenn er zahlte, konnte er von mir aus stundenlang über Brieftauben, Straßenbeläge oder seine dichterischen Werke dozieren.
    »Ein fabulöser Vorschlag, maître«, verzückte sich Xtra. Während er voranschritt, konnte ich beobachten, dass seine knochigen Hüften beim Gehen wackelten, als wollte er damit die Auermann vom Pariser Laufsteg schubsen.
    In meiner Diele fesselte ihn der Bücherschrank, ein dunkles Eichenmöbel aus dem 18. Jahrhundert.
    »Heiliges Kruzifix! Da steht ja der komplette Rilke. Welch formvollendete Wortschöpfungen dieser Genius vollbracht hat. Sapperlot, mon ami, da haben Sie ja eine wahre Schatztruhe«, griff er sich den ersten Band der Insel-Jubiläumsausgabe und knutschte ihn wie einen aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Bruder.
    »Möchten Sie einen Kaffee ?« , lenkte ich unser Gespräch in eine pragmatische Richtung.
    »Ich trinke nur Tee aus der Fulon-Provinz, sonnengereift, handverlesen und mit einer halben Süßstoffpille veredelt«, hob er den Zeigefinger, als hätte ich seine Vorlieben der Tagespresse entnehmen müssen.
    »Zurzeit aus«, enttäuschte ich ihn. »Kann nur mit einem Darjeeling dienen .«
    Angewidert verzog Vaganz das Stupsnäschen. »Was den Mund des Meisters erfrischt, wird für mich nichtswürdigen Diener gut genug sein«, ließ er sich dennoch herab.
    Während er es sich mit dem Rilkeband im Wohnzimmer bequem machte, befüllte ich in der Küche den Kocher mit Wasser.
    »Oh, dieses Pantherpoem, marveleuse«, vernahm ich, wie er sich auf die Schenkel klopfte. »Darf ich eines meiner bescheidenen Werke rezitieren? Es ist eine Hommage an Rainier .«
    »Nein«, bat ich inständig, aber zu leise.

    »Der Hamster,
    seine kurzen Beine wackeln wild,
    ein Gefühl von Sehnsucht in der Brust,
    nach Größe streben,
    ein eindrucksvolles Bild,
    eine kleine
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