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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Ende der Verfolgungsjagd störte mich nicht weiter. Ich wusste, wo ich zu suchen hatte.
    Eine Viertelstunde später stand ich vor der Tür des Hauses Lippweg 8. Der Architekt hatte ungeschickt verschiedene Epochen miteinander vermischt. Klassizistische Säulen, verspielte Rokokoerker und mit Bauernmalerei verzierte Fensterläden ergaben ein für den Ästheten ungenießbares Konglomerat. Ich schellte. Als die Schneedecke um weitere zehn Zentimeter angewachsen war, drang Licht durch eine Ritze und schwere Schritte schlurften zur Tür. Dann wurde geöffnet.
    Der Hausherr stand im schwarzen, mit asiatischen Schriftzeichen bestickten Morgenmantel und einer Schlafmütze vor mir und rieb sich die Augen.
    »Herr Nannen? So viel Plaisir mir sonst eine Begegnung mit Ihnen bereitet, finden Sie nicht, dass dies eine reichlich unpassende Uhrzeit ist, mir eine Aufwartung zu machen? Sie haben mich aus einem inspirierenden Traum gerissen. Bonne nuit .«
    Bevor er die Tür zuschlagen konnte, hatte ich mich in die Diele geschlängelt.
    »Monsieur, das geht zu weit. Ich ziehe ernsthaft in Erwägung, die Polizei zu rufen, obwohl das meinem Naturell zuwiderlaufen würde .«
    Ich warf meine Jacke über eine Eichendorffbüste und schlenderte in die Richtung, in der ich das Wohnzimmer vermutete.
    »Hat Ihre gewalttätige Profession Ihnen den letzten Funken Verstand geraubt? Sie zerstören den Frieden meiner Dichterklause«, schrillte Vaganz.
    Ich störte mich nicht an dem Gekeife, sondern betrat einen Raum, der als Gesellschafts- und Arbeitszimmer zu dienen schien. Die Stühle waren vergoldet und wirkten wie Kopien französischer Herrscherstühle aus dem 18. Jahrhundert. Sie waren um eine hölzerne Tafel gruppiert, an der gut und gerne ein komplettes Fußballteam Platz fand, Auswechselspieler inklusive. Die Bücherregale mit den verstaubten Antiquariatsbeständen boten Nahrung für mehrere Holzwurmdynastien. Ich ließ mich auf den Bürostuhl vor den mit Papieren übersäten Schreibtisch fallen.
    »Wenn Sie mir nicht sofort die Gründe dieser Ruhestörung explizieren, werde ich nicht umhinkönnen, unsere Ordnungshüter zu verständigen«, hatte Vaginowski sich drohend vor mir aufgebaut.
    »Haben Sie die französischen Existenzialisten gelesen ?« , sah ich ihm kalt in die Augen.
    »Ich verabscheue dieses Pack von Atheisten und Kommunisten zutiefst«, wich er meinem Blick aus. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen einen Aufsatz von mir zu dieser Epoche der Unliteratur geben .«
    »Sartre hat 1947 ein Drehbuch namens >Les jeux sont faits< verfasst. Kennen Sie es ?« , ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen.
    »Naturellement! Was soll das alles ?«
    »Der Titel beschreibt exakt Ihre derzeitige Situation. Wo waren Sie in den letzten Stunden ?«
    Xtras Augen bekamen einen lauernden Blick: »Im Bett. Ich ließ es Sie bereits wissen .«
    Ich sprang auf und riss den Morgenmantel auf: »Schläft es sich gut in Hemd und Bundfaltenhose ?«
    Wenn Blicke töten könnten, wäre es um mich geschehen gewesen. Da dies aber nicht der Fall war, versuchte Vaganz, mich auf andere Weise außer Gefecht zu setzen. Ehe ich mich versah, hatte mich eine ansatzlose Linke zu Boden gestreckt. Als der Dichter ansetzte, mich ins Land der Träume zu befördern, rammte ich ihm mein Bein in den Bauch und knallte ihm eine satte Gerade vor den Latz. Die Wucht schleuderte ihn nach hinten auf einen der Stühle, der krachend in seine Bestandteile zerfiel.
    Bevor er sich aufrappeln konnte, war ich über ihm und streichelte seine Schläfe mit meiner Faust. Die beabsichtigte narkotisierende Wirkung blieb nicht aus.
    Ich riss zwei Kordeln von der Gardinenstange und verschnürte den Bewusstlosen fachgerecht. Als ich sicher war, dass er sich nicht befreien konnte, holte ich eine Schüssel Wasser aus der Küche und schüttete ihm das belebende Nass ins malträtierte Gesicht. Leider rutschte mir die Schüssel aus den Händen und knallte vor seine Stirn. Als er prustend die Augen aufschlug und mich erkannte, wollte er mir gleich an die Kehle springen. Hatte wohl nicht an die Kordeln gedacht. Resigniert sackte er zusammen.
    Ich ging geschmeidig zur Hausbar, entschied mich für Whiskey, füllte ein Glas und prostete dem Gefesselten zu.
    »Mit trockener Kehle lässt sich schwer plaudern. Wo waren wir vor Ihrem ungestümen Angriff stehengeblieben ?«
    Da Xtra ausnahmsweise nicht zum Reden aufgelegt war, fuhr ich fort: »Sie wollten mir erzählen, was Sie in den letzten Stunden getrieben haben
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