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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Verabschiedung nahm weitere zwanzig Minuten in Anspruch, da sie kurz vor der Tür erkannte, dass ich der Organist ihrer Gemeinde war, und mir wertvolle Tipps zur Vervollkommnung meiner Spieltechnik gab, da sie schließlich während ihrer Schulzeit selbst Orgel gespielt hatte.
    Ich sah zu, dass ich wegkam, bevor sie weitere Döne-kes aus ihrem erfüllten Leben zum Besten gab.

24

    W o finde ich Herrn Lienen ?«
    Es war kurz nach vier und ich befand mich im Elisabeth-Hospital, dieses Mal als Besucher. Die Schwester bediente den Computer mit einer Geschwindigkeit, die jede Sekretärin an Selbstmord denken ließ.
    »Station B, Zimmer 37.«
    Der alte Lienen lag allein in einem Dreibettzimmer. Sein Kopf war bandagiert, der linke Arm war eingegipst. Der restliche Körper wurde von der Bettdecke verborgen.
    »Guten Tag«, ließ ich mich auf den wackligen Stuhl zu seiner Rechten fallen.
    »Was wollen Sie hier ?« , begrüßte er mich gewohnt höflich.
    »Ich wurde beauftragt, den Mord an Ihrer Tochter aufzuklären .«
    »Verschwinde, Schnüffler! Ohne Sie würde Cornelia noch leben .« Er versuchte sich aufzurichten, scheiterte aber kläglich. Dafür bedachte er mich mit einem Blick, der eine Mixtur aus abgrundtiefer Abneigung und purem Hass transportierte.
    »Was ist passiert ?« , klopfte ich auf den Gips.
    »Bin die Treppe runtergefallen .«
    »Ziemlich schwere Verletzungen für einen Treppensturz. Außerdem hat mir Frau Allekotte was anderes erzählt«, blickte ich dem Alten fest in die Augen.
    »Ich höre«, begannen seine Lider plötzlich zu flattern.
    »Sie sollen in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sein .«
    »Sie ticken doch nicht ganz sauber. Außerdem: Was geht Sie das an ?«
    Der alte Knacker hatte eine Heidenangst.
    »Scheren Sie sich zum Teufel«, war seine Antwort auf ebendiese Frage. Allerdings war seine Stimme nur noch ein Flüstern.
    Also weiterbohren: »Wer hat Sie angefahren? Haben Sie den Wagen erkannt ?«
    Treffer! Selten in ein derart entsetztes Gesicht geblickt.
    »Hören Sie, Nannen«, hatte er sich schnell wieder gefangen. »Nur damit Sie endlich Ruhe geben: Gestern Abend bin ich vor die Tür gegangen, um frische Luft zu schnappen. Plötzlich kam ein Wagen um die Ecke gerast. Mit meinen alten Knochen konnte ich leider nicht schnell genug ausweichen. Besoffene Jugendliche«, log er, dass sich die Balken bogen, aber wie an ihn rankommen?
    Einfach mal einen Schuss ins Blaue versuchen: »Dieser Mordversuch ist fehlgeschlagen, der nächste wird es nicht .«
    »Raus hier! Raus !« , hatte ich richtig getippt. In Lienens Visage stand die nackte Angst.
    »Schwester! Schwester !« , drehte er sich panisch von mir weg und hämmerte auf die Notschelle.
    »Durch Ihre Halsstarrigkeit schützen Sie Connies Mörder und gefährden sich und andere«, redete ich sanft auf ihn ein.
    Mit Schwung wurde die Tür aufgerissen, und ein Drachen von Schwester stürmte ins Zimmer.
    »Schämen Sie sich nicht, den alten Herrn so aufzuregen ?« , stemmte sie die Arme in die breiten Hüften.
    »Er hat mich geschlagen, Schwester Mathilde .«
    Ehe ich piep sagen konnte, hatte mich das Monster am Kragen gepackt und in Richtung Tür geschleift.
    »Da schlägt’s dreizehn. Will sich an einem hilflosen Mann vergreifen, der sein Vater sein könnte«, brummte sie im tiefsten Bass.
    »Sie liegen falsch, Schwesterchen, ich...«
    »Ruhe !« , herrschte sie mich an, zog mich über die Schwelle und knallte die Tür hinter uns zu, ohne Rücksicht auf die armen Kranken.
    »Sie erhalten lebenslängliches Stationsverbot«, ließ sie mich endlich vom Haken. »Wenn Sie sich noch einmal hier blicken lassen, lernen Sie mich von meiner unfreundlichen Seite kennen .«
    Das war doch mal ’ne Ansage. Da sie mir jedoch nur Stations- und kein Hausverbot erteilt hatte, stand ich zwanzig Wimpernschläge später an der Rezeption, wo ich unter Aufbietung aller Überredungskünste Lienens Unfallstelle aus der Schwester herauskitzelte.
    Also wieder durch den Schneematsch gekämpft — nach Abschluss des Falls waren definitiv Winterreifen fällig — und die Karre in der Kapellenstraße abgestellt, ganz in der Nähe des Lienen’schen Wohnsitzes. Die Straße erstreckte sich zwar über eine Länge von einer halben Meile, aber nur die ersten fünfzig Meter wurden von Häusern gesäumt. Nach sechs Befragungen wusste ich, welches Auto den alten Lienen über den Haufen gefahren hatte: Es war ein brauner, roter oder metallicschwarzer Renault, Passat oder
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