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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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ihm ausrichten, dass er mich anrufen soll, sobald er zurück ist? Er hat meine Nummer .«
    »Selbstverständlich.«
    Damit hatte die Telekom genug verdient.
    Was nun? Einen weiteren Nachmittag mit Grübeln verschwenden? Nee, bevor ich zu Hause versauerte, wollte ich lieber irgendwas tun, selbst wenn es sinnlos war. Alibiüberprüfung hörte sich genau nach dieser Art Aktivität an. Mit Hilfe einer vergilbten Münsterlandkarte arbeitete ich die benzintechnisch kostengünstigste Route aus und stapfte mit dicker Daunenjacke bewaffnet zu meinem Wagen. Schnell die Scheiben freigekratzt, den Anlasser ordentlich orgeln lassen, und schon war ich on the road, einem weiteren unproduktiven Arbeitstag entgegenblickend.
    Als ich in Buldern an Connies Elternhaus vorbeischlidderte, kam mir eine Idee: Warum nicht die Hütte inspizieren? Hatte zwar zur Folge, dass ich mich mit ihrem keifenden Vater auseinandersetzen musste, aber ich war ja hart im Nehmen. Also flugs eine Chicagowende hingelegt und die Karre abgestellt. Zehn Sekunden später malträtierte mein Daumen die Lienen’sche Klingel.
    Auch auf das siebte Schellen wurde mir kein Einlass gewährt. Obwohl es bei diesem Wetter unwahrscheinlich war, dass sich der Alte im Garten vergnügte, stapfte ich dorthin; natürlich vergeblich.
    Also zum Nachbarhaus getrottet.
    »Ja, bitte ?« , wurde die Tür einen Spalt geöffnet; über eine mächtige Eisenkette hinweg starrte mich ein betagtes Damengesicht an.
    »Frau...«, blickte ich auf die Schelle, »Allekotte, mein Name ist Nannen, ich bin Privatdetektiv. Tut mir leid, dass ich Sie störe, aber ich bin auf der Suche nach Herrn Lienen .«
    »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl ?«
    »Frau Allekotte, ich bin nicht gekommen, um Ihre Wohnung zu inspizieren. Ich muss Herrn Lienen einige Fragen stellen, aber anscheinend ist er nicht zu Hause .«
    »Untersuchen Sie den abscheulichen Mord an seiner Tochter ?« , wurde ihre Mimik um eine Nuance freundlicher.
    »So ist es .«
    »Könnte ich bitte Ihren Ausweis sehen ?«
    »Selbstverständlich«, kramte ich die Lizenz heraus. Nachdem sie das Dokument ausgiebig begutachtet hatte, löste sie die Kette und ließ mich endlich herein.
    Im muffigen Wohnzimmer wies sie mir einen abgewetzten Cordsessel zu, in dem ihr Mann wahrscheinlich vor zehn Jahren gestorben und erst vor kurzem entfernt worden war. Frau Allekotte musste weit über achtzig sein. Die neunzig würde sie nicht mehr erreichen.
    »Ich habe gerade Tee gekocht. Trinken Sie eine Tasse mit ?«
    »Gerne«, log ich.
    Drei Minuten später saßen wir uns gegenüber und nippten am köstlichen Kamillentee.
    »Eine abscheuliche Sache, Herr... ?«
    »Nannen.«
    »Herr Nannen, die arme Cornelia, ein so lebensfrohes und grundanständiges Mädchen. Ich kenne sie seit ihrer Geburt, habe ihr damals sogar Kommunionsunterricht gegeben. Wussten Sie das ?«
    »Nein, das wusste ich nicht .«
    »Ich kann immer noch nicht fassen, dass dieses liebe Kind umgebracht worden ist .«
    »Wir leben in einer bösen Welt, Frau Allekotte .«
    »Da haben Sie recht, junger Mann. Wissen Sie, ein Freund meines Enkels, meines jüngsten Enkels, Peter, ich habe noch drei weitere, er hat ein Eisenwarengeschäft in Böckinghausen, direkt neben dem Friseur, wissen Sie... wo war ich jetzt...«
    »Der Freund Ihres Enkels.«
    Ich erfuhr einiges darüber, wie hart manche Menschen vom Schicksal getroffen worden waren, welche Noten ihre Enkel auf der Schule hatten — es waren immerhin acht —, wie bedauernswert es war, dass die Tante-Emma-Läden beinahe von der Bildfläche verschwunden waren, und so fort. Sie plauschte so viel, dass ich bald nicht mehr wusste, weswegen ich gekommen war.
    »Wissen Sie, wann Herr Lienen wieder zu Hause ist ?« , fiel es mir zum Glück in einer Atempause wieder ein.
    »Das dürfte einige Zeit dauern, er wurde nämlich heute Nacht ins Elisabeth-Krankenhaus eingeliefert, Verkehrsunfall, wissen Sie ?«
    Wusste ich nicht, sonst wäre ich wohl kaum hier.
    »Fährt er denn noch Auto ?«
    »Das nicht. Seine Tochter, dieses arme Geschöpf, hat ihn immer chauffiert. Seinen Führerschein hat er nach seinem ersten Herzinfarkt abgegeben, das muss 1997, nein warten Sie, 1998 gewesen sein. Seitdem geht er zu Fuß oder lässt sich kutschieren. Er fährt nicht einmal mehr mit dem Fahrrad, seitdem...«
    »Ich danke Ihnen, Sie haben mir sehr geholfen. Und der Kamillentee war sehr lecker«, hoffte ich auf Grauen Star, denn meine Tasse war noch mehr als halbvoll.
    Die
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