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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse
Autoren: Salman Rushdie
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»Und diesmal musste er eigenes Geld hineinstecken. Nach den beiden Flops haben die Produzenten schnell kalte Füße gekriegt. Und wenn der jetzt auch noch baden geht, dann ist er bankrott, erledigt, funtoosh.« Gibril hatte sich auf eine modische Neuverfilmung der Ramayana-Geschichte eingelassen, in der die Helden und Heldinnen statt rein und frei von Sünden korrupt und böse waren. Rama war lüstern und betrunken, Sita flatterhaft, während Ravana, der Dämonenkönig, als aufrechter und ehrlicher Mann gezeichnet war. »Gibril spielt Ravana«, erklärte George in fasziniertem Entsetzen. »Es sieht aus, als lasse er es bewusst auf eine endgültige Konfrontation mit religiösen Sektierern ankommen, wohl wissend, dass er dabei nicht gewinnen kann, sondern in Stücke gerissen wird.« Einige seiner Kollegen hatten der Produktion bereits den Rücken gekehrt und marktschreierische Interviews gegeben, in denen s ie Gibril der »Blasphemie«, des »Satanismus« und anderer Vergehen beschuldigten. Seine letzte Verflossene, Pimple Billimoria, war auf dem Titelblatt des Ciné-Blitz abgebildet mit den Worten: »Es war, als küsste man den Teufel.« Gibrils altes Problem - sein schwefliger Mundgeruch - war offensichtlich in alter Frische wieder aufgetaucht.
    Mehr als die Wahl seiner Filmthemen hatte sein erratisches Benehmen Gerüchte in die Welt gesetzt. »An manchen Tagen ist er die Liebenswürdigkeit in Person«, sagte George. »An anderen kommt er wie Gott der Allmächtige zur Arbeit und verlangt buchstäblich, dass die Leute vor ihm auf die Knie gehen. Ich persönlich glaube nicht, dass der Film fertig wird, wenn er oder solange er seine geistige Gesundheit nicht geregelt kriegt, die, und das glaube ich wirklich, angegriffen ist.
    Erst die Krankheit, dan n der Flugzeugabsturz, dann die unglückliche Liebesgeschichte: man versteht ja, dass der Knabe Probleme hat.« Und es gab schlimmere Gerüchte: die Steuerfahndung saß ihm im Nacken, die Polizei war mit Fragen über den Tod von Rekha Merchant bei ihm aufgetaucht, und Rekhas Mann, der Kugellagerkönig, hatte gedroht, »dem Schwein sämtliche Knochen im Leib zu brechen«, so dass Gibril die Aufzüge von Everest Vilas eine Zeitlang nur in Begleitung von Leibwächtern bestieg; am schlimmsten aber waren die Andeutungen hinsichtlich seiner nächtlichen Besuche im Rotlichtbezirk der Stadt, wo er, so wurde gemunkelt, diverse Etablissements in der Foras Road aufsuchte und ihn die Dadas hinauswarfen, weil die Frauen verletzt wurden. »Einige sollen böse zugerichtet worden sein«, sagte George. »Die Rede ist von hohen Schweigegeldern. Ich weiß auch nicht. Die Leute reden ja so viel . Diese Pimple musste sich natürlich gleich dranhängen. Der Mann, der Frauen hasst . Mit der ganzen Geschichte macht sie sich zum Femme fatale-Star. Aber etwas liegt bei Farishta ziemlich im Argen . Sie kennen ihn, hab’ ich gehört«, schloss George und blickte Salahuddin an; welcher errötete.
    »Flüchtig. Nur durch den Flugzeugabsturz und so weiter.« Er war aufgewühlt. Anscheinend hatte Gribril es nicht geschafft, seinem inneren Dämon zu entfliehen. Er, Salahuddin, hatte geglaubt - naiverweise, wie sich jetzt herausstellte -, dass die Ereignisse von Brickhall, als Gibril ihm während des Brands das Leben rettete, in gewisser Weise sie beide gereinigt, die Dämonen in das verzehrende Feuer gejagt hätten, ja, dass die Liebe bewiesen hätte, dass sie eine Macht ausüben konnte, die ebenso groß war wie die des Hasses, dass die Tugend die Menschen ebenso verändern konnte wie das Laster. Aber nichts währte ewig; keine Heilung, so schien es, war vollkommen.
    »Das Filmgeschäft steckt voller Verrückter«, sagte Swatilekha liebevoll zu George. »Schau dich nur selber an.«
    Aber Bhupen wurde ernst. »Für mich war Gibril immer eine positive Kraft«, sagte er. »Ein Schauspieler aus einer Minderheit, der Rollen a us vielen Religionen spielt und akzeptiert wird. Wenn er nicht mehr beliebt ist, dann ist das ein schlechtes Zeichen.«
    Zwei Tage später las Salahuddin Chamchawala in den Sonntagszeitungen, dass eine internationale Bergsteigergruppe, unterwegs, um den Hidden Peak zu besteigen, in Bombay eingetroffen sei; und als er sah, dass die berühmte »Königin des Everest«, Miss Alleluja Cone, dabei war, überkam ihn das seltsame Gefühl, gehetzt zu werden, der Eindruck, dass die Schatten seiner Phantasie in die wirkliche Welt hinaustraten, dass die Vorsehung die langsame, tödliche Logik eines
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