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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes
Autoren: Abbie Taylor
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hörte«, sagte Detective Sergeant Patterson und sah Dawn dabei an, »gelangt man auf diesem Weg durch einen Hinterausgang auf den Parkplatz?«
    »Ja, das stimmt.«
    Er war so höflich. Was er wohl von den Briefen hielt?
Dawn hatte sich Mühe gegeben, nichts auszulassen und alles wahrheitsgetreu zu schildern, von Anfang an. Sie hatte Will und seinen roten Honda in allen Einzelheiten beschrieben; sie hatte nach Kräften versucht, sich an das Nummernschild zu erinnern. Sie hatte über Mr. Farnley aufgeschrieben, was sie wusste; vielleicht besaß er weitere Informationen über Will, die für die Polizei hilfreich waren. Ihre eigene Rolle hatte sie ungeschönt dargestellt. Sie hatte mit rücksichtsloser Ehrlichkeit geschildert, was sie Mrs. Walker und Clive angetan hatte. Als Überschrift hatte sie das Wort Geständnis gewählt – worum es sich auch handelte. Um ein umfangreiches Geständnis. Lediglich eine kleine Einzelheit hatte sie unterschlagen. Sie war nicht in der Lage gewesen, sie aufzuschreiben.
    Auf einmal waren polternde Schritte zu hören.
    »Halt!«, rief eine Männerstimme. »Stopp! Was tun Sie da?«
    Dr. Coulton holte sie ein, keuchend, mit fliegenden Kittelschößen und gerötetem Gesicht.
    »Ich habe Sie aus dem Lift kommen sehen«, erklärte er. »Sind Sie … sind das Polizisten?«
    Er musterte die beiden Beamten mit kaltem Chirurgenblick. Dawn antwortete für die Männer: »Ja, sie sind von der Polizei.«
    »Sie sind nicht gezwungen, mit ihnen mitzugehen!« Dr. Coulton wandte sich an Detective Sergeant Patterson. »Verzeihung, aber können Sie einen Haftbefehl vorweisen?«
    Detective Sergeant Patterson sagte: »Sir, wir möchten jetzt …«
    »Sie ist eine vorbildliche Krankenschwester«, fuhr Dr. Coulton fort. »Und ein wunderbarer Mensch. Egal, was sie getan haben soll. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel dieses Krankenhaus ihr verdankt. Was sie hier geleistet hat, allein in der vergangenen Nacht …«

    »Sir …«
    »Lassen Sie mich bitte ausreden.«
    Sie hielten ihn nicht zurück, als er versuchte, Dawn ein wenig beiseitezuziehen, außer Hörweite der Polizisten. Es war Dawn selbst, die beschwichtigend eine Hand hob und ihn unterbrach.
    »Es ist das Beste so«, sagte sie. »Dass ich sie begleite, hat einen guten Grund. Ich habe etwas Furchtbares getan.«
    »Sie haben Mrs. Walker getötet.«
    Sie sah ihn verdutzt an.
    Dr. Coulton baute sich zwischen Dawn und den Detectives auf und dämpfte die Stimme.
    »Ich weiß Bescheid«, flüsterte er. »Ich habe es immer gewusst. Sie waren damals völlig aufgelöst, weil sie solche Schmerzen hatte. Und dann dieser Streit mit Clive. Davon habe ich natürlich erfahren. Jeder hat davon geredet. Und dann ihr völlig unerwarteter Tod … Ich hatte sie an dem Morgen noch untersucht und wusste deshalb, dass sie auf keinen Fall eines natürlichen … Ich wollte Sie immer darauf ansprechen, hatte aber das Gefühl, Ihnen damit zu nahe zu treten. Ich wusste nicht, wie ich es zur Sprache bringen sollte.«
    Er war zu ergriffen, um weiterreden zu können. Sein weißer Kittel war voller Flecken und zerknittert, ein Revers mit einer grünlichen Flüssigkeit beschmiert. Bis zu diesem Augenblick hatte Dawn ihn stets in tadelloser Kleidung gesehen, geradezu steril. Durch die Flecken wirkte er plötzlich … menschlich.
    »Ich hätte mit Ihnen reden sollen«, sagte er, »ich hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen.«
    Sein Pager brummte. Er ignorierte das Geräusch, wandte den Blick nicht von Dawn ab. Seine Augen sahen so grau wie ein verschneiter Winterhimmel aus. Wie seltsam. Ihr war
schon oft aufgefallen, wie hell seine Augen waren, aber dieses Grau hatte sie nie bemerkt. Er hatte Nordaugen, so wie sie. Augen, die im Dunkeln sehen konnten.
    »Dawn«, sagte er. »Dawn, ich …«
    Der Pager in seiner Tasche brummte und blinkte. Dawn deutete darauf. »Sie müssen zurück. Sie werden gebraucht.«
    Sie ließen Dr. Coulton mit dem Pager in der Hand stehen und liefen zum Ende des Korridors. Dawn wandte sich nicht noch einmal um. Sie hörte keine Schritte mehr, woraus sie schloss, dass er immer noch dort stand und ihnen nachschaute.
     
    Dawn saß auf der Rückbank des Streifenwagens neben dem schweigenden Detective Rowland. Die Northcote Road war menschenleer, alle Geschäfte und Galerien blieben geschlossen, die Tische unter den Markisen leer. Eine unheimliche, postapokalyptische Atmosphäre hatte sich in der sonst so belebten Straße breitgemacht, so als
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