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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes
Autoren: Abbie Taylor
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etwas!
    Auf dem Gang waren polternde Schritte zu hören. Clive und Elspeth tauchten hinter dem Vorhang auf.
    »O Gott.« Als Elspeth die Schwellung sah, schlug sie sich die Hände vor den Mund.
    »Die Wunde blutet innerlich«, erklärte Dawn. »Die Schwellung drückt ihm die Atemwege ab. Clive, hol den
Notfallwagen. Elspeth, du bleibst bei ihm, während ich den Chirurgen benachrichtige.«
    Dawn eilte zum Schwesterntresen und tippte die Pagernummer ein. Schneller. Schneller. Elspeth blieb händeringend am Bett des Patienten stehen. »Miss seinen Blutdruck«, zischte Dawn ihr zu. Endlich klingelte das Telefon. Dawn riss den Hörer hoch.
    »Dr. Coulton am Apparat.« Eine gelangweilte Männerstimme.
    Das musste der neue Facharzt sein. Dawn verschwendete keine Zeit mit langen Erklärungen. »Hier ist Oberschwester Torridge von Station sechs. Die Schilddrüse in Bett elf hat innere Blutungen.«
    Ein Seufzen. »Sie sprechen von einem leichten Nachbluten der Narbe?«
    »Nein. Ich spreche von einer großen …«
    Dr. Coulton unterbrach sie. »Was ist mit seinem Blutdruck?«
    »Den haben wir noch nicht gemessen, aber …«
    »Nun, Schwester, das wäre doch Ihre erste Pflicht? Ich habe hier in der Notfallaufnahme alle Hände voll zu tun. Wenn Sie bitte beim nächsten Anruf die kompletten Patientendaten für mich bereithalten könnten? Das würde mir meine Arbeit ungemein erleichtern.«
    Dawn blinzelte verdutzt. Dachte dieser aufgeblasene Gockel tatsächlich, eine erfahrene Oberschwester wäre nicht in der Lage, einen Notfall zu erkennen?
    Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Dr. Coulton, es ist Ihnen vielleicht nicht klar, aber Mr. Benson wurde erst heute Morgen an der Schilddrüse operiert. Die Blutung drückt auf seine Luftröhre. Ich warne Sie, wenn in den nächsten zehn Minuten nichts passiert, wird er sterben.«
    Sie hatte keine Lust, sich noch länger zu streiten, ließ den
Hörer fallen und eilte zum Bett des Patienten zurück. In den Minuten ihrer Abwesenheit war Mr. Bensons Hals noch dicker angeschwollen und sein Gesicht dunkelrot angelaufen. Die Schwellung beeinträchtigte seinen Blutkreislauf ebenso wie seine Atmung. Er hielt seinen Hals umklammert, als wollte er das Fleisch von der Luftröhre zerren. Huuuh, huuuh . Seine Schultern hoben und senkten sich angestrengt. Sicher hatte er das Gefühl, durch einen engen Strohhalm zu atmen. Dawn ließ den Blick hastig durch die Kabine schweifen, inspizierte alle Gegenstände auf dem Nachttisch. Eine Flasche mit rotem Traubensaft. Eine Brille auf einem Buch. Ein in der Mitte gefalteter Zettel mit windschiefen grünen Buchstaben: Gute Besserung, Opa . Dann entdeckte sie, wonach sie gesucht hatte – eine steril verpackte Zange. Auf Dawns Station galt die eiserne Regel, dass neben den Betten aller Schilddrüsenpatienten eine solche Zange zur Entfernung von Wundklammern griffbereit zu liegen hatte, damit im Notfall niemand danach suchen musste. Die einzige Möglichkeit, den enormen Druck im Hals des Patienten zu lindern, bestand darin, die Klammern zu öffnen und das Blut abfließen zu lassen. Dawn schnappte sich das Gerät vom Nachttisch und riss die sterile Umverpackung ab. Sie würde es Dr. Coulton in die Hand drücken, sobald er auftauchte.
    In einem engen Halbkreis umstanden sie das Bett, Dawn mit der Zange in der Hand, Clive am Notfallwagen und Elspeth mit vors Gesicht geschlagenen Händen. Dawn schaute immer wieder zur Eingangstür der Station hinüber. Dr. Coulton würde jeden Augenblick eintreffen. Sicher hatte sie ihm am Telefon deutlich machen können, dass er alles stehen und liegen lassen und sich sofort auf den Weg machen müsse. Jack Benson rang immer noch nach Luft. Huuh, huuh . Schweißperlen liefen ihm übers Gesicht. Die Venen traten an seinen Schläfen hervor wie dunkelblaue Würmer. Er saß
vornübergebeugt, hatte seine Finger in die Decke gekrallt und konzentrierte sich auf jeden einzelnen Atemzug. Die Sauerstoffmaske saß locker, das Gummiband schob ihm die grauen Haarsträhnen ins Gesicht. Er starrte das Pflegepersonal hilflos an. Helft mir. Um Gottes willen, warum steht ihr nur herum? Der Anblick war kaum zu ertragen. Dawn rückte die Maske zurecht, drehte die Sauerstoffzufuhr auf und stellte das Kopfteil des Bettes hoch, um dem Patienten das Atmen zu erleichtern. »Der Doktor ist schon unterwegs«, sagte sie. »Er muss jede Sekunde eintreffen.«
    Hoffte sie jedenfalls. Da spürte sie einen stechenden Schmerz am Unterschenkel. Clive hatte ihr den
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