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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes
Autoren: Abbie Taylor
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Infusionsbeuteln nicht abriss. Francines Patient wurde hereingeschoben, ein gelassen wirkender Mann mittleren Alters, der sich, wie er Dawn versicherte, in seinem Leben nie besser gefühlt habe. Sie klebte trotzdem ein rotes Etikett auf sein Bett. Die Notaufnahme schickte eine ältere Dame mit gebrochenem Oberarm. Dawns Team wies ihr ein Bett zu und versorgte sie in Windeseile.
    Um Mitternacht rief Mandy an.
    »Ich habe es eben erfahren«, sagte sie. »Ich war den ganzen Abend unterwegs. Wie schrecklich, Dawn! Soll ich ins Krankenhaus kommen?«
    »Nein, danke. Am besten, du schläfst dich richtig aus. Morgen früh werden hier ausgeruhte Mitarbeiter gebraucht.«
    Als das Telefon endlich stillstand, stattete Dawn der Notaufnahme einen Besuch ab.
    »Es wird besser.« Maria stemmte die Arme in die Hüften und blies die Backen auf. »Die Stationen nehmen uns Patienten ab, so dass wir wieder freie Kapazitäten haben. Oh, da kommt der nächste.« Ein Trupp von Helfern zwängte sich mit einer Trage durch die Eingangstüren.
    »Wiederbelebung drei!« Maria ging voran, während ihr Team sich um den Patienten scharte, seine Kleider aufschnitt, Braunülen legte. »Werden es noch mehr?«, fragte sie die Feuerwehrmänner, die den Verletzten gebracht hatten.
    »Nein«, entgegnete der Anführer. Seine Augen waren zwei schmale, blutunterlaufene Schlitze in einem rußverschmierten Gesicht; dennoch machte er den Eindruck, als hätte er sich seit Jahren nicht mehr so gut gefühlt. »Wir haben alle Waggons evakuiert. Das war der Letzte.«

    »Gott sei Dank.«
    Der Feuerwehrmann warf den Schwestern einen letzten Blick zu und tippte sich an den Helm. »Wir haben unseren Teil getan«, sagte er, »nun ist es an Ihnen.«
    Es war fast vier Uhr morgens. Die Züge waren vor neun Stunden kollidiert. Immerhin wussten sie inzwischen, wie viele Tote es gab. Jetzt konnten sie durchatmen und in Ruhe weitermachen. Als Dawn auf die Station zurückkam, kniete Trudy am Boden und wischte das Blut auf, das der Mann mit der Leistenverletzung verloren hatte. Er war inzwischen im OP, wo seine Arterie untersucht wurde. Trudy wirkte bleich vor Erschöpfung.
    »Lass nur«, sagte Dawn. »Mach eine Pause, trink einen Kaffee.«
    »Aber ich muss noch …«
    »Nein, musst du nicht. Du hast die ganze Nacht geschuftet. Mach eine Pause.«
    »Okay. Danke, Schwester.«
    Dawns Müdigkeit machte sich als eine Mischung aus Aufgekratztheit und Übelkeit bemerkbar. Durch die Fenster ihres Büros war der erste blasse Lichtstreifen am Horizont zu erkennen. Unten auf der Brücke bewegten sich immer noch die Lichter der Retter durch die Dunkelheit; von hier oben sahen sie kaum größer aus als Stecknadelköpfe. Dawn ging in den Pausenraum und füllte den Wasserkocher, um sich einen Tee aufzubrühen. Plötzlich hörte sie von draußen aufgeregte Stimmen. »Schwester! Schwester!«
    Dawn stellte den Wasserkocher ab und eilte hinaus. Trudy stand am Bett der alten Frau, die sich den Arm gebrochen hatte.
    »Ich habe es zufällig entdeckt, im Vorbeigehen«, erklärte Trudy und riss den Klettverschluss der Armmanschette auf. »Ihr Blutdruck ist abgefallen. Ich kriege sie nicht wach.«

    »Mrs. Rycroft«, rief Dawn. Die alte Dame hatte einen Schock erlitten, war aber bisher ansprechbar gewesen und wusste, wo sie sich befand und was passiert war. Nun hatte sie beinahe das Bewusstsein verloren und bekam nur noch schwer Luft. Als Dawn ihren Namen rief, zuckten ihre Augenlider, aber mehr passierte nicht. Dawn riss die Bettdecke zurück und bemerkte sofort, dass Mrs. Rycrofts rechte Körperhälfte vollkommen reglos dalag. Sie nahm das Stethoskop vom Notfallwagen und horchte. Keine Frage, der rechte Lungenflügel arbeitete nicht mehr.
    »Pneumothorax.« Dawn legte das Stethoskop beiseite. »Weißt du, wie man eine Thoraxdrainage legt?« Als Trudy zögerte, sagte Dawn: »Hol den Notfallwagen und das OP-Besteck. Ich zeige dir den Rest.«
    Während Trudy zum Lagerraum lief, ging Dawn zum Schwesterntisch und piepte den diensthabenden Chirurgen an.
    »Grove.« Das war der gehetzte junge Mann vom Vorabend.
    »Hier spricht Schwester Torridge. Wir haben eine Neunundsiebzigjährige mit Atemproblemen und eingeschränkter Lungenfunktion links. Ich fürchte, Sie benötigt eine Thoraxdrainage.«
    »Tut mir leid«, sagte Dr. Grove, »aber ich kann jetzt nicht raufkommen.«
    »Ihr Blutdruck ist abgefallen. Wenn sie nicht bald behandelt wird, kommt es zum Herzstillstand!«
    »Ich habe hier alle Hände voll zu
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