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Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin
Autoren: Sandra Lüpkes
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einen energischen Blick zu, sie wusste, er hasste ihre oft allzu forsche und schnörkellose Art, das Thema zu wechseln. Doch sie hatte das Gefühl, dieser Mann hier erzählte bewusst so, wie er erzählte. Weil er nach den anderen Dingen lieber nicht gefragt werden mochte.
    »Sie meinen, ob wir etwas miteinander hatten?«
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich es so meinte?«
    »Weil sich hier auf der Insel bereits seit einiger Zeit das hartnäckige Gerücht verbreitet, Frau Polwinski sei meine Geliebte…«, er schluckte, »… gewesen.«
    »War sie es?«
    Wieder ein böser Blick von ihrem Kollegen, der sie in die Seite traf.
    »Nein. Wir hatten zwar beide dieselbe Leidenschaft, aber das war das Hotel. Für einige Menschen auf der Insel ist dies Motiv genug, eine außereheliche Affäre zu haben, besonders wenn man dann in der Freizeit hin und wieder Tennis miteinander spielt. Ich habe sie sicher ein Stück weit verehrt, aber nur, weil sie für mein Hotel ein wahrer Gewinn war.«
    Felten erhob sich von seinem Hocker und trat an die gläserne Wand. Wencke überlegte, was ihn in ihren Augen so linkisch und verknöchert aussehen ließ, da fiel ihr seine leicht gekrümmte Haltung auf, wie ein Hauch von einem Buckel, hochgezogene Schultern und ein langer, geierähnlicher Hals. Unaufrichtigkeit, kam es ihr in den Kopf, im orthopädischen Sinne zwar, doch konnte sie sich nicht erwehren, daraus auf charakterliche Qualitäten zu schließen. Im selben Moment erschrak sie über sich selbst, solch oberflächliche Verurteilungen entsprachen so ganz und gar nicht dem, was sie sich vor ihrem Spiegel zu Hause geschworen hatte. Nie wieder Bauchgefühl, nie wieder! Wie um sich selbst an ihren Vorsatz zu erinnern, kniff sie sich in den Oberschenkel. Hätte sie keine Lederhose getragen, so hätte ihr diese Selbstkasteiung wehgetan.
    »Meine Frau leidet sehr darunter, unter den Gerüchten, meine ich«, fuhr Felten fort. »Sie ist gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe, und die Tuscheleien über meine angebliche Geliebte tragen nicht gerade zu ihrer Genesung bei.«
    »Was hat sie?«
    »Sie ist psychisch krank. Leider gibt es immer wieder Menschen, die in einem Gastronomiebetrieb zu sehr beansprucht werden. Und seit unsere Kinder auf dem Festland zur Schule gehen, hat sie irgendwie den Faden verloren.«
    Wencke nickte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie frustrierend das Leben an der Seite dieses aufgeblasenen Egomanen sein musste. Diesmal spürte sie den Kniff, den sie sich selbst zufügte.
    »Wir werden in Ihrem Hotel einige Ermittlungsgespräche führen. Davon werden sowohl Ihr Personal als auch Ihre Frau betroffen sein. Wir bitten Sie, uns hier weitestgehend freie Hand zu lassen, denn es ist sicher auch in Ihrem Interesse, dass wir den Fall so schnell wie möglich aufklären können.«
    »Haben Sie denn schon irgendwelche nennenswerte Anhaltspunkte? Irgendeinen Verdacht?«
    Meint verneinte. »Und selbst wenn es so wäre, so müssten wir doch erst die anderen Untersuchungsergebnisse abwarten, bevor wir uns über irgendetwas eine Meinung bilden. Die Arbeit der Polizei ist in erster Linie nüchternes Sammeln von Beweismaterial. Und bevor wir nicht unserer Arbeit in Ihrem Hause nachgegangen sind, können wir zu keinen Ergebnissen kommen.«
    Wencke nickte ihrem Kollegen bestätigend zu, wenngleich sie die Sache mit dem nüchternen Sammeln von Beweismaterial und ihre Methode der Wahrheitsfindung nie so ganz unter einen Hut zu bringen vermochte. Felten stand immer noch am Fenster und schien zu überlegen. Sie konnte sich vorstellen, was in seinem Kopf vorging: Wird es meinem Ruf schaden, wenn in meinem Haus die Polizei ermittelt? Wie kann ich die ganze Sache diskret vertuschen? Und wie werde ich diese Göre von Kripobeamtin so schnell wie möglich wieder los, bevor sie anfängt, mir auf den Geist zu gehen? Schließlich drehte er sich zu ihnen um.
    »Wenn es Ihnen recht ist, so stelle ich Ihnen unseren Wintergarten für die Arbeit zur Verfügung. Sie können dort alle erforderlichen Gespräche führen, doch ich bitte Sie um Verständnis, dass ich den reibungslosen Ablauf in unserem Hotel nicht gefährdet sehen möchte. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Befragungen in Absprache mit mir durchführen könnten, damit ich mein Personal dementsprechend umdisponieren kann.«
    »Hoteldirektor zu sein ist ein bisschen wie Schachspielen, ist es nicht so?«, sagte Wencke und sie wusste, dass Meint ihr jetzt am liebsten den Mund zuhalten
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