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Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin
Autoren: Sandra Lüpkes
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wollte.
    Felten schaute sie nur fragend an.
    »Wenn die Königin stirbt, dann müssen all die kleinen Bauern deren Funktion übernehmen.«
    Meint fiel ihr ins Wort.
    »Meine Kollegin meint, dass Sie sicher alle Hände voll zu tun haben, besonders da Sie nun eine Ihrer treibenden Kräfte verloren haben.«
    Felten schaute wieder aus dem Fenster, er hielt die Arme verschränkt und lehnte sich mit der Stirn gegen die Scheibe. Eine ganze Weile stand er nur so da und atmete schwer. Nun gut, er sah schon bemitleidenswert aus, er schien wirklich verzweifelt zu sein, Wencke wusste nur nicht, ob ihm dies nicht mehr als bewusst war. Ein bisschen vermutete sie, dass neben dem Thore Felten, den sie sah, noch ein weiterer Thore Felten stand, der seinem Alter Ego gerade Anweisungen gab, wie man einen möglichst niedergeschlagenen Eindruck hinterlässt.
    »Herzliches Beileid«, brachte sie nun hervor und schaffte es, ihr Mitgefühl wahrhaftig und seriös klingen zu lassen, auch wenn es ihr noch so sehr zuwider war.
    »Danke für Ihre Anteilnahme«, gab Felten zurück. Eine Farce, dachte Wencke.
    »Wenn Sie mich jetzt entbehren könnten«, sagte Felten in einem Ton, zu dem ein tiefer Bückling gut gepasst hätte. Tatsächlich war seine Stimme ein wenig brüchig. »Ich würde nun doch gern ein paar Momente allein sein. Darf ich Sie noch nach unten begleiten?«
    »Nein, danke. Wir finden den Weg zurück.« Als sie das Zimmer verließen, da stand er wieder am Fenster und schaute mit unerträglich bedeutungsschwangerem Blick auf das Wasser.
    »Ich kann diese Hotelfuzzis einfach nicht ertragen«, schimpfte Wencke, kaum dass sie in dem rundum verspiegelten, marmorierten und messingbeschlagenen Aufzug standen. »Manchmal glaube ich, Schleimscheißerei ist bei denen Einstellungsvoraussetzung.«
    »Da haben wir mal wieder die Wencke Tydmers, die es einfach nicht lassen kann, ihre hanebüchene Meinung zum Besten zu geben. Nur weil die Menschen in der Gastronomie etwas von höflichen Umgangsformen und herzlicher Gastfreundschaft verstehen, was für dich ein Buch mit sieben Siegeln zu sein scheint. Stell dir mal vor, es gibt Menschen, die genießen es, in einem Hotel wie diesem hier umhegt zu werden.«
    Wencke wusste, dass sie vielleicht ein wenig zu weit gegangen war, doch sie konnte es einfach nicht lassen.
    »Ich traue niemandem, der für sein Lächeln Geld kassiert.«
    »Liebe Frau Kollegin, darf ich dich an unseren letzten Fall erinnern? Da hast du fast dasselbe über die Zuhälter gesagt, du hast ihnen die Pest an den Leib gewünscht und dich um Kopf und Kragen geflucht. Und letztendlich war es deine persönliche Busenfreundin, die mir nichts dir nichts und aus reiner Geldgier einen alten, fetten Mann abgeknallt hat.« Wencke wurde wütend.
    »Warum reitest du immer auf den alten Geschichten herum?«
    Als sie durch das helle Foyer schritten, schwiegen sie. Das junge dünne Mädchen an der Rezeption blickte kurz auf und lächelte ihnen zu. Wencke lächelte nicht zurück, verärgert stieß sie die schwere Glastür auf und verließ das Hotel.
    »Mach nicht denselben Fehler ein zweites Mal, Wencke. Mehr will ich dir damit nicht sagen. Du fängst schon wieder an mit deiner Schwarzweißmalerei, und ich will diesmal nicht dabei sein, wenn du darüber den Blick für die feinen Nuancen verlierst.«
    »Schön gesagt, Herr Kollege. Hat das hochgestochene Palaver des Herrn Felten schon auf dich abgefärbt? Bitte, meine Dame! Nein danke, mein Herr!«
    »Ich möchte halt lieber dich zur Chefin als diesen karrieregeilen Sanders, tut mir Leid. Wenn du es vermasselst, habe ich nämlich drunter zu leiden. Und deinen Eindruck von Thore Felten teile ich im Übrigen ganz und gar nicht. Ich habe selten einen Menschen gesehen, der seine Erschütterung so gut überspielen konnte wie dieser Mann.«
    Wencke schaute ihren Kollegen von der Seite an. Konnte er wirklich ein solcher Ignorant sein?
    »Was hat er wohl erfolgreich überspielt, Meint, seine Erschütterung oder vielleicht eher seine Gleichgültigkeit?«
    Langsam gingen sie die Straße ins Inseldorf hinunter. Wenckes Wut verpuffte. Die schlichten roten Backsteinhäuschen duckten sich hinter den dichten Hecken der Apfelrose, als hätten sie etwas zu verbergen. In den Schaufenstern hingen kleine handgeschriebene Zettel, die alles Gute und auf Wiedersehen im April nächsten Jahres wünschten. Auf der ganzen Strecke bis zum Polizeirevier kamen ihnen gerade mal drei Menschen entgegen. Ein Kutscher, der seine
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