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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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sie das Gefühl, als würde die Wut in ihr überkochen.
    Endlich wurde es stiller, wurde das Stimmengemurmel der Gäste vom trägen Gezwitscher der Vögel verdrängt, die in den Baumkronen der riesigen Pappeln ausharrten. Hin und wieder trug ein schwacher Windhauch ein paar Takte Musik des herzoglichen Kammerorchesters, das im Rosenpavillon aufspielte, zu ihr hinüber. Wie eine Marionette von unsichtbaren Fäden gezogen, ging Dorothea ein Stück den Kocher entlang, dessen sonst so tiefes Dunkelblau einem schlammigen Braun gewichen war. Wo normalerweise Strudel und Stromschnellen das Holztriften zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit machten, entblößten nun beide Seiten des Flussufers in Dutzenden von Schichten bröckeliges Erdreich. Dorothea konnte sich nicht daran erinnern, jemals einen so niedrigen Wasserstand gesehen zu haben.
    Je weiter sie lief, desto spärlicher wurden Violas Blumenbeete. Hier und da stand ein vereinzelter Rosenbusch in Blüte oder klammerten sich ein paar dunkelviolette Hortensien an einen aus der Erde ragenden Findling, der den wachsamen Augen der Gärtner bisher entgangen war. Ansonsten beherrschten riesige Brombeerhecken, die jedem Rodungsversuch getrotzt hatten, das Bild. Die überreifen, tiefschwarzen Beeren waren bis in Kniehöhe abgefressen - ein Zeichen dafür, dass wilde Tiere dieses Stück Garten aufsuchten. Es roch nach getrockneten Algen und letztjährigem Laub. Hierher verirrte sich selten jemand, gleich dahinter begann das offene Land. Dorothea spürte, wie sich ihr zugeschnürter Hals ein wenig weitete.
    An der Stelle, wo der Fluss einen Schlenker nach links machte und hinter einer Brombeerhecke verschwand, stand eine winzige Gartenbank. Das verwitterte Holz ihrer Rückenlehne war vor vielen Jahren von kundigen Händen auf kunstvolle Weise gedrechselt und geschnitzt worden, doch niemand hatte sich die Mühe gemacht, das gute Stück vor den Unbilden des Wetters zu schützen, und so war es dem Zerfall nahe. Schon beim Hinsetzen spürte Dorothea, wie sich die feinen Fasern ihres Kleides an dem rauhen Holz rieben, aber das war ihr gleich.
    Eine Zeitlang schaffte sie es, jeden Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie beobachtete einen Reiher, der innerhalb kürzester Zeit drei Fische aus dem träge dahinfließenden Kocher holte - zumindest für ihn schien der niedrige Wasserstand etwas Gutes zu haben!
    »Es ist eine Schande, dass ein so hübsches Kind wie du nicht längst verheiratet ist.« Frederick von Graauws Worte wurden jetzt wie ein Echo von ihren Schädelwänden zurückgeworfen. »Viola hat vollkommen recht mit ihrem Vorwurf, ich hätte dich wie eine Wilde erwachsen werden lassen. Schau dich doch um: All deine Cousinen sind längst verheiratet, bald giltst du als alte Jungfer!« Ratlos hatte er den Kopf geschüttelt, so, als habe er erwartet, dass sich die Frage von Dorotheas Zukunft mit der Zeit von selbst lösen würde.
    Schon bei der Erinnerung wurden Dorotheas Wangen wieder heiß. »Aber Vater«, hatte sie geantwortet, »ich bin doch erst neunzehn Jahre alt!« Frederick von Graauws Behauptungen waren ebenso abwegig wie peinlich! Warum musste er gerade heute dieses Thema anschneiden? Und dann noch vor ihrem Nachbarn? Sie kannte Alexander von Kindesbeinen an, gemeinsam waren sie durch die Hohenweih’schen Wälder getobt, bis Viola dem einen Riegel vorgeschoben hatte. Eine Zeitlang war Alexander sogar mit ihnen zusammen unterrichtet worden. Jeden Tag hatte eine Kutsche ihn morgens zum Unterricht ins Haus der Graauws gebracht und nachmittags wieder abgeholt. Alexander war für sie wie ein zweiter Bruder - vielleicht lag es an dieser Vertrautheit, dass Dorothea die Worte ihres Vaters so peinlich waren.
    Alexanders Miene war undurchsichtig gewesen, der Wortwechsel zwischen Vater und Tochter schien ihn weder zu amüsieren, noch schien er ihm unangenehm zu sein. Vergeblich hatte sie darauf gewartet, dass er ihr zur Hilfe kam. Und was ihre Cousinen anging: Wer wollte schon wie Klara ins ferne Russland verheiratet werden? Oder wie Anna-Maria nach Bayern? Sie jedenfalls nicht! Während Dorothea über deren trauriges Schicksal als politische Pfänder nachsann, hatte Frederick begonnen, über sie zu reden, als sei sie eine hochdotierte Zuchtstute. »Für ein Weib bist du im besten Alter. Ich sag immer: Alt werden sie von selbst! Bei uns Jägern heißt es >Alte Gems und alter Has’ geben einen Teufelsfraß!«< Er musste über seinen eigenen Scherz lachen. »Und ansehnlich bist
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