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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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weit ausgestreckten Armen kam er ihr entgegen, und sein Grinsen zog sich von einem Ohr zum andern.
    Es musste wohl um Rehbach gehen, beschloss Dorothea, als sie Fredericks Gegenüber erkannte. Alexander, der Baron von Hohenweihe, war nicht nur ihr Nachbar, sondern lieferte auch das Holz für die Rehbacher Siedehäuser. Sie nickte ihm kurz zu, wandte sich dann aber an ihren Vater. »Du hast mich rufen lassen?« Im gleichen Atemzug ärgerte sie sich über die fehlende Festigkeit in ihrer Stimme. Sie hörte sich ja fast an wie Georgs Angetraute, als diese ihr »Ja« dahingehaucht hatte. Wütend räusperte sie sich.
    »Komm näher, liebes Kind! Alexander und ich freuen uns über deine Gesellschaft.« Frederick von Graauw winkte sie zu sich her. »Ich hoffe, ich habe dich nicht beim Verspeisen eines Stückes der Hochzeitstorte gestört? Oder gehört meine Tochter neuerdings auch zu den Damen, deren Taillen so schlank sein sollen wie Hungerhaken?« Seine Fröhlichkeit wirkte aufgesetzt.
    Etwas ging hier vor sich, das spürte Dorothea. Diese Überschwenglichkeit, das zu laute Lachen hätten eher zu einem Kaffeekränzchen gepasst - aber unter Jagdkumpanen? Leises Misstrauen stieg in ihr hoch. Es war nicht so, dass ihr Vater sonst unfreundlich zu ihr wäre, ganz im Gegenteil: Dorothea genoss bei ihm eine Art Narrenfreiheit, die für sie längst zur Gewohnheit geworden war. Lediglich wenn Viola sich bei ihm über ihre Widerspenstigkeit beklagte und er auf ihr Drängen hin »ein ernstes Wörtchen« mit ihr redete, ahnte sie, wie groß die Freiheiten wirklich waren, die sie sich täglich herausnahm.
    Unter Alexanders amüsiertem Blick wurde sie von ihrem Vater durch das Zimmer dirigiert. Der Druck seiner Hand auf ihren Arm ließ erst nach, als sie die Sessel, die kreisförmig vor dem Kamin platziert waren, erreicht hatten. Dorothea zog die Augenbrauen in die Höhe. Ohne besondere Grazie ließ sie sich auf dem Sessel, der dem Fenster am nächsten stand, nieder - man war schließlich unter sich. »Was ist denn so wichtig, dass du mich bei dieser Hitze durch den ganzen Garten hast jagen lassen?« Dorotheas Stimme verriet nichts von ihrer inneren Anspannung, sondern klang eher gelangweilt.
    Das Lächeln des Grafen verschwand. »Ma chère«, er holte tief Luft. Sein Blick wechselte zwischen ihr und Alexander hin und her.
    Dorothea verzog den Mund. Sie hasste es, wenn ihr Vater französisch sprach! Dieses Getändel passte so gar nicht zu ihm, er war doch ansonsten so … ihre Gedanken wurden so jäh unterbrochen, dass sie zuerst gar nicht richtig aufnahm, was er sagte.
    »… jedenfalls ist es an der Zeit, dass auch du endlich heiratest!«
    Dorothea schaute sich um. Wohin? Violas liebevoll gepflanzte Blütenmeere aus Hortensien, Rosen und anderem Blumenzeugs wie auch die Wege waren zwischen den dichtgedrängten Menschenleibern kaum mehr auszumachen. Am liebsten hätte sie ihre Ellenbogen benutzt, um sich ihren Weg zu bahnen. Die schneeweißen Blumenrabatten, welche die einzelnen Gartenabteile voneinander trennten, wurden unter Spitzenpantoffeln und feinstem Gerbleder niedergetrampelt. Wie Hummeln flatterten die Gäste umher, um nur ja keinen Punkt im Programmheft von Georgs und Elisabeths Hochzeit zu verpassen. Nach der Hochzeitszeremonie am Vormittag, bei der sich der Pfarrer weiß Gott genug Zeit gelassen hatte, war nun Amüsement angesagt! Zurück blieben verschmierte Blütenleichen, deren austretender Saft gierig vom ausgedörrten Sommerboden aufgesaugt wurde. Wie musste Violas Herz angesichts dieses Frevels bluten! Sonst hätte Dorothea für ihre Stiefmutter Mitleid empfunden, statt dessen ging sie heute wie betäubt durch die Menge. Die Mittagshitze kam ihr nach der Kühle des Hauses um so unerträglicher vor. Der Schweiß rann ihr in Bächen den Leib hinab, aber um nichts in der Welt hätte sie im Haus bleiben wollen!
    Das Kinn fast auf die Brust gedrückt, den Blick tief aufs Programmheft gesenkt, damit sie ja keine Menschenseele zuviel grüßen musste, schlängelte sich Dorothea quer durch den Garten zum Ufer des Flusses. Wenn ihr der Sinn gerade nach etwas nicht stand, dann war es das ewige Lächeln und Parlieren.
    Trotzdem kam sie nur langsam voran, musste alle paar Schritte stehenbleiben und Luft holen. Ihr war so schwindlig, dass sie Angst hatte, auf der Stelle umzufallen und sich vor allen Gästen zu blamieren. Immer wieder musste sie Spucke hinunterschlucken, aber die aufsteigende Übelkeit verging nicht. Langsam hatte
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