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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat
Autoren: Guillermo Del Toro
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inzwischen 9II gewählt?«
    Der Beamte schüttelte den Kopf. »Bislang keine Anrufe von Mobiltelefonen aus der Maschine.«
    Navarro zog die Augenbrauen hoch. »Bislang?«
    »Null Anrufe bei hundertneunundneunzig Passagieren?«, sagte ein anderer Beamter. »Nicht gut.«
    »Gar nicht gut«, brummte der Erste.
    Navarra starrte die beiden an. »Wir müssen etwas unternehmen, und zwar jetzt sofort. Ich brauche keine Genehmigung, um mit der Feueraxt Scheiben einzuschlagen, wenn da drinnen Leute sterben oder vielleicht sogar schon tot sind. In diesem Flugzeug gibt es keinen Sauerstoff mehr.«
    In diesem Moment kam der Chef der Truppe von seinem Telefonat zurück. »Sie bringen jetzt den Schneidbrenner raus. Wir schneiden sie auf.«
     
    Dark Harbour, Virginia
     
    Chesapeake Bay, zu dieser späten Stunde schwarz und aufgewühlt.
    In der verglasten Veranda des Haupthauses, auf einer malerischen Klippe, von der man die ganze Bucht überblickte, lehnte sich ein Mann in einem ergonomischen Sessel zurück, einer medizinischen Spezialanfertigung. Das Licht war gedämpft, zu seiner Behaglichkeit wie auch aus Sparsamkeit. Die Thermostate, von denen es allein in diesem Raum drei gab, hielten die Temperatur konstant bei I 6,6 °Celsius. Leise erklang Strawinskys
Le sacre du printemps
- Berieselung durch verborgene Lautsprecher, um das unbarmherzig rauschende Pumpen der Dialysemaschine zu übertönen.
    Eine schwache Atemwolke entwich dem Mund des Mannes. Ein zufälliger Beobachter hätte meinen können, dass er dem Tode nahe war. Hätte denken können, Zeuge der letzten Tage oder Wochen eines - dem weitläufigen, neunundsechzigtausend Quadratmeter großen Anwesen nach zu urteilen äußerst erfolgreichen Lebens zu sein. Hätte anmerken können, welch eine Ironie es doch sei, dass einen so reichen Mann dasselbe Schicksal ereilte wie einen Bettler.
    Nur: Eldritch Palmer war durchaus nicht am Ende. Er war siebenundsechzig Jahre alt und dachte gar nicht daran aufzugeben. Absolut nicht.
    Der angesehene Investor, Geschäftsmann, Theologe und einflussreiche Berater unterzog sich dieser Prozedur nun bereits seit sieben Jahren, jeden Abend drei bis vier Stunden. Sein Gesundheitszustand war labil, aber noch unter Kontrolle. Er wurde rund um die Uhr von Ärzten überwacht und von erstklassiger Krankenhaustechnik versorgt, die speziell für seinen Privatgebrauch angeschafft worden war.
    Aber reiche Leute können sich nicht nur eine exzellente medizinische Versorgung leisten, sie können es sich auch leisten, exzentrisch zu sein. Eldritch Palmer behielt seine Eigenheiten für sich, verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit, selbst vor dem engsten Kreis seiner Vertrauten. Er hatte nie geheiratet. Er hatte keinen Erben gezeugt. Und so gab es reichlich Anlass zu Spekulationen, welche Pläne Palmer im Falle seines Ablebens für sein riesiges Vermögen hegte. Er hatte keinen Stellvertreter in seiner wichtigsten Investmentfirma, der Stoneheart Group. Er hatte keine Verbindungen zu irgendwelchen Stiftungen oder karitativen Organisationen, im Gegensatz zu den beiden anderen, mit denen er im jährlichen Wettstreit um Platz eins auf der
Forbes-Liste
der reichsten Amerikaner stand: Microsoft-Gründer Bill Gates und Berkshire-Hathaway-Investor Warren Buffet. Würden jedoch gewisse Goldreserven in Südamerika und SchattenHoldings in Afrika in die
Forbes-Rangliste
eingerechnet, hätte Palmer die Liste unanfechtbar angeführt. Ja, er hatte noch nicht einmal ein Testament aufgesetzt, ein geradezu unvorstellbares Versäumnis in der Vermögensplanung, selbst wenn man nur ein Tausendstel seines Reichtums besaß.
    Eldritch Palmer hatte schlicht und einfach nicht vor zu sterben.
    Hämodialyse ist ein Verfahren, bei dem das Blut über ein Schlauchsystem dem Körper entnommen wird, in einem Dialysegerät, einer »künstlichen Niere«, gefiltert und dann frei von Schadstoffen sowie überschüssigen Salz- und Wasseranteilen dem Körper wieder zugeführt wird; ein- und ausgehende Nadeln werden in eine sogenannte Fistel, eine seitlich in eine Arterie eingepflanzte Vene eingeführt, die semipermanent am Unterarm angelegt ist. Das in diesem Fall benutzte Gerät war ein hochmodernes Modell von Fresenius. Es überwachte ununterbrochen Palmers kritische Parameter und alarmierte sofort Mr. Fitzwilliam - der sich nie weiter als zwei Räume entfernt aufhielt -, wenn Abweichungen von den Normwerten auftraten.
    Loyale Investoren waren inzwischen an Palmers ausgemergeltes
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